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[   Band 1 Brief 8:    Caroline an Humboldt     Erfurt, Sonntag abend, den 4. Januar 1789   ]


einander. Diese Schönheit hört auf, sobald eine einzige vernach-
lässigt oder verletzt wird, und das Ganze leidet dadurch.
Ich weiß nicht, ob ich mich deutlich genug ausgedrückt habe,
aber das Bild dessen, was ich meine, schwebt vor mir. Sage mir,
ob Du mich verstanden hast und ob Du meiner Meinung bist.
Nach diesem Grundsatz gehe ich weiter und wende ihn auf einzelne
Umstände an, denn ich strebe im Herzen nach jenem harmonischen
Verhältnis, weil es mir aller Vollkommenheit höchster Inbegriff
ist. Unsre Verbindung legt einem jeden von uns dieselben Pflichten
auf, aber sie würde nach meiner Einsicht ihren schönsten Zweck
verfehlen, wenn sie so in andre Pflichten eingriffe, daß dieselben
verletzt würden, da sie dazu beitragen soll, uns in der Ausübung
aller Tugenden zu stärken und uns zum Edlen und Schweren zu
erheben. Andre und von ihr verschiedene Pflichten hat ein jeder
von uns, denn es wäre eine Ungereimtheit, zu behaupten, daß wir
nur für sie existieren sollten, da nichts einzelnes, sondern die Ver-
vollkommnung des Ganzen für uns Zweck sein muß, und da der
gewiß den rechten Gesichtspunkt noch nicht hat, der nur eine Lieb-
lingsidee herausgezogen hat und sie verfolgt. Wenn Carl, Jette
und Brendel behaupten, daß die Aufdeckung alles dessen, was uns
von andern anvertraut wird, mit zu den Pflichten der Verbindung
gehört, so scheinen sie mir unrecht zu haben, denn wie könnte die
Erfüllung einer Pflicht nur durch die Verletzung einer andern be-
wirkt werden, um mit unbefleckter Schöne im Herzen zu blühen?
Und diese Verletzung ist nicht ein Hirngespinst der Einbildung.
Sie ist reell. Jene Offenherzigkeit gegen die Verbündeten geschieht
auf Kosten eines fremden Guts, das uns heilig sein muß. Ich
weiß die Gründe, die unsre lieben Lieben für die Richtigkeit ihrer
Meinung anführen; die wichtigsten sind, daß jene Personen, die
uns ein Geheimnis anvertrauen, es ihnen ebensogut anvertrauen
würden, wenn sie sie so genau kennten, wie sie uns kennen, und

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