< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 1 Brief 9:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], Mittwoch abends, den 21. Januar 1789   ]


auf den Ball gekommen und überhaupt nicht wieder ausgegangen.
Ich lebe nie glücklicher, als wenn ich so allein bin, nie bin ich ein-
samer als unter Menschen.
Es ist sehr spät, ich muß aufhören. Leb wohl, mein Geliebter,
und denke meiner.


10. Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag, den 29. Januar 1789

Meinen innigsten Dank für Deinen lieben Brief, teurer
Wilhelm. Mit welcher Wonne les ich in Deiner Seele
und folge dem Gang Deiner Gedanken und Empfindungen.
Es ist erstaunlich, wie sich unsere Vorstellungsarten oft begegnen
und wie ähnlich wir über viele Dinge denken, mir ist es allemal
eine schöne Entdeckung, so oft ich es finde, dieser Einklang unserer
Wesen ist dem meinen süßer Genuß. Lieber! wie wahr ist es,
daß man sich durch Einseitigkeit in der Beurteilung über Menschen
und andere Gegenstände, die einem vorkommen, um eine Menge
von Freuden bringt; außer daß man immer dabei ungerecht ist,
engt man sich sein Dasein ein, denn darin allein besteht doch das
wahre Leben unseres Geistes, unsern Wirkungskreis und unsere
Genußfähigkeit zu vermehren und zu erweitern. Nur darin, aber
freilich in einem größeren und verfeinerten Grade, als ich mir ihn
jetzt vielleicht denken kann, setze ich die Hoffnung der höheren Selig-
keit einer künftigen Existenz. Mit dieser Ansicht gibt es, glaube
ich, keine Situation im Leben, aus deren Anwendung man nicht
Nutzen zur inneren Ausbildung des Geistes ziehen könnte.
Ich habe Dir versprochen, Dir näher die Empfindungen zu
entwickeln, die den Gedanken in mir erregten, C[arl v. Laroche]
liebe mich mehr aus Teilnahme an meinem Schicksal, aus Mitleid

                                                                       25