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[   Band 1 Brief 33:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], Sonnabend, 20. März 1790   ]


soll mir erzählen. Ich lasse mir gar gern erzählen. Es ist so ein
hübscher Schlupfwinkel für meine Indolenz.
Es versteht sich von selbst, daß Du der Mama meinen Respekt
vermeldest, so oft Du es für nötig findest. Je te donne la dessus
carte blanche. Lebe wohl, mein süßer Wilhelm. Der Koadjutor
grüßt Dich. Lebe tausendmal wohl. Mein Herz ist bei Dir.


34. Humboldt an Caroline                         [Berlin], 23. März 1790

Ich freue mich sehr auf die Zeichnung, und wenn Du willst,
so soll der arme Theseus im Stand der Natur von keinem
fremden Auge entweiht werden . . . Ich weiß nicht, ob
ich Dir schon schrieb, daß die Veit, seitdem ich hier bin, mit einem
jungen Sohne niedergekommen ist. *) Ich bin sehr oft bei ihr und
noch öfter bei Jetten, die ich jetzt Italienisch lehre. Dennoch geht
es mit Jetten noch gar nicht gut. Sie behauptet, es sei keine Ver-
traulichkeit mehr zwischen uns, ich sei geändert u. s. f. Ich sehe kein
Mittel ab, das in ihr zu ändern, also laß ich’s gehen. Doch tut’s
mir innig leid, daß sie sich dadurch weniger glücklich und mir ihren
Umgang durch unaufhörliche Anspielungen weniger angenehm macht.
Der eigentliche Fehler ist, daß sie sich ewig nur mit sich beschäftigt,
ewig auf sich alles zurückführt, daß sie darum auch immer meisten-
teils mit sich, manchmal aber auch mit dem Betragen anderer gegen
sie, unzufrieden ist, daß sie sich nie in sich, sondern nur immer in
andern sieht, daß sie, was sie dem andern ist, nicht aus seinem
ganzen Wesen sieht, sondern nach gewissen Dingen, die ihr nun
einmal Maßstab sind, beurteilt, daß sie einen schlechterdings nicht
versteht und dabei über alle Beschreibung empfindlich ist, endlich,
daß sie wenig eigenes Nachdenken und wenig tiefes Gefühl hat,

———
*) 2. März 1790 war Brendel Veits Sohn Jonas geboren.

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