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[   Band 1 Brief 37:    Humboldt an Caroline    [Berlin], 30. März 1790   ]


O! wenn ich Dich künftigen Sommer besäße, Gott! Lina, es
wird doch ein ganz andrer Genuß unter uns sein, wie sonst unter
den Menschen. Unsre Seelen so verschwistert, so gleich mit glühender
Liebe erfüllt! Lebe wohl.


38. Humboldt an Caroline                          [Berlin], 2. April 1790

Die Liebe hat es so gern, sich abhängig zu denken von
dem geliebten Gegenstand, sich ihm eigen zu nennen, zu
leben und zu weben nur durch ihn und für ihn und in
ihm. Darum seid Ihr Weiber so glücklich, und darum liebt Ihr
so schön, weil diese Empfindung Euch so eigentümlich, Euren Ver-
hältnissen so angemessen ist. Dein letzter Brief noch drückte es so
schön aus. Auch ich hänge unaussprechlich an dieser Idee. Zehn-
mal nenne ich mich Dein, ehe Dich einmal mein. Dieses sanfte,
schwache, dahingebende Gefühl ist meinem Herzen viel eigener, als
das hohe, starke, begeisterte. Zu diesem letzteren vermag sich meine
Seele selten zu erheben, aber dafür wird sie desto mehr von der
Innigkeit des ersteren belohnt. Ich weiß nicht, ob alle Männer
ebenso lieben, es soll in meinen Gefühlen viel Weibliches sein. Man
sagte mir mehr als einmal, man könnte mit mir wie mit einer Frau
reden, und neulich schrieb mir die Forster, sie möchte mich Schwester
nennen. Ich find es nicht unwahr und kann’s mir einigermaßen
erklären. So lang ich mit Kunth lebte, lebt ich ein wahres Frauen-
leben. So ungetrennt von ihm, so abhängig, und doch gar nicht
auf die Weise, wie es sonst in solchem Verhältnis ist. Es war
kein Befehlen, kein eigentliches Fordern von seiner Seite, nur so
ein Gekränktsein, oder Sichstellen über die Dinge, die ihm mißfielen.
Also von mir ewige Sorge, ihn heiter zu erhalten, von beiden Seiten

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