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[   Band 1 Brief 44:    Humboldt an Caroline    Berlin, April 1790   ]


so mußt Du es sehen, wie einzig, wie ungeteilt mein ganzes Wesen
mit allen, allen seinen Kräften Dein ist, sehen, wie nur Du alles
in mir belebst, wie nur aus dem Gedanken an Dich eine jede Freude
quillt — und das muß Dir hohe Wonne gewähren. Vieles wirst
Du in mir erblicken, was Deiner Schonung, Deines Tragens be-
darf, aber das wirst Du immer finden, daß ich Sinn habe, ein
Wesen aufzufassen wie das Deine, Kraft, mich darin zu verlieren,
daraus allein jeden Genuß zu schöpfen. O! und das wird Dich
beseligen, darum wirst Du gern verzeihen, wenn ich, wie es oft
kommt, unzufrieden, uneins bin mit mir selbst. Ich lebe noch so
ganz in einer Welt von Ideen, mein Gefühl hat mit der jugend-
lichen Glut noch jugendliche Unerfahrenheit. Darum trete ich oft
so furchtsam in die Wirklichkeit um mich her, darum bin ich so
reizbar gegen alles, was von außen auf mich wirkt, darum kamen,
eh ich das Glück ahndete, das jetzt mir durch Dich wird, immer
Perioden, wo ich so sehnlich wünschte, immer entfernt gelebt zu
haben von allen Menschen, nie herausgegangen zu sein aus mir.
Das wird Dir manchmal zu schaffen machen, und Du wirst mich
manchmal tragen, zurechtweisen müssen. Aber Du wirst auch höheren,
reineren Genuß dadurch haben, denn diese Empfindung in ihrer
ganzen ersten Glut, in ihrer Reinheit und Zartheit ist nun Dein
— keiner — keiner blühte sie noch auf als Dir. —
Die Hagen hat der Tasso doch mehr ergriffen, als ich’s mir
selbst dachte, sie hat gewiß ein feines Gefühl. Aber zum Teil
fürchtet sie sich, sich ihm zu überlassen, zum Teil hat der Mann
sie abgestumpft. Das Leere ihrer Lage fühlt sie gewiß, aber sie
will’s nicht fühlen. Sie sagte mir einmal sehr bedeutend, es wäre
doch töricht, zu weinen, daß es hier keine Schweizer Gebirge gibt.
Jetzt lehre ich ihr Griechisch. Wir hatten erst zwei Stunden, aber
sie liest schon ziemlich fertig. Schade nur, daß ich wenig Zeit darauf
wenden kann, und am Anfange ist das Griechische wirklich schwer.

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