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[   Band 1 Brief 50:    Humboldt an Caroline    [Berlin], den 18. Mai 1790   ]


50. Humboldt an Caroline  [Berlin], den 18. Mai 1790

Endlich meine liebe Lina, kann ich Dir einmal wieder
schreiben, wie ich es wünsche, und mein Herz ist so voll.
Der Augenblick ist jetzt da, wo unsere Zukunft sich auf-
hellen muß, und mit unnennbarer Sehnsucht seh ich der letzten
Entscheidung entgegen. Ich habe Deinem Vater neulich völlig aus-
führlich geschrieben, wahrscheinlich hast Du den Brief selbst gelesen,
ich hoffe bald eine Antwort. Von ihr hängt nun alles ab. Ich
fange jetzt an, mit großer Gewißheit zu hoffen. Dein Vater ist
gütig, er wünscht Dich in seiner Nähe zu haben, er wünscht uns
glücklich zu sehn. Das einzige, was ich fürchte, ist der Punkt der
Finanzen. Denn darin, liebes Mädchen, müssen wir wenigstens
so gesetzt sein, daß wir nicht zu sorgen dürfen. Unter allen Sorgen
ist diese gerade die fatalste und drückendste. Denn das Versagen des
eigenen Genusses, das immer damit verbunden ist, ist dabei noch
das wenigste. Aber man muß auch so oft Anderen Genuß rauben
und überhaupt mit so kleinlichem Geist über jeden Pfennig wachen.
Das hielten wir beide nicht aus. Unter 1800 Taler können wir
unsere Wirtschaft nicht anfangen. Das hab ich sorgfältig überlegt,
und die Hagen, die sogar lokale Kenntnis von Halberstadt hat und
selbst äußerst ökonomisch lebt, ist auch der Meinung. Sollen wir aber
1800 Taler haben, so muß Dein Vater 500 geben, und das, denke
ich, tut er gewiß. Du kostest ihn jetzt ja gewiß ebensoviel. Dann
läßt er Dir doch die Schmidtin? Die überhöbe Dich der Sorge
für die Wirtschaft und würde unsere Ökonomie gut einrichten.
Suche doch ja seine Ideen über diese Dinge bald zu erfahren.
Du hast ja auf dem Lande noch mehr Gelegenheit, ihn allein zu
sprechen, und es wäre so gut, wenn wir bald Gewißheit erhielten.
Wegen des Titels hab ich mich innig gefreut, daß Deinem
Vater die Idee, ohne Titel zu heiraten, nicht fremd ist. Indes

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