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[   Band 1 Brief 54:    Caroline an Humboldt     Burgörner, den 10. Juni 1790   ]


albern, daß ich Dir das alles so erzähle. Wilhelm, Wilhelm, ich
treibe Possen und ich weine mit dazu — o Liebster, nie von Deinem
Herzen, laß mich dann leiden, sterben, aber nie trennen. — Es
steigt, es drängt sich in meiner Seele — doch nichts davon, vergib,
ein andermal, einmal mündlich. —
Ich schicke Dir nächstens was von Carolinens Poesie, es ist
ein eigner Ton darin, so eine leise Sprache, gar schön, Du wirst
sicher viel Freude daran haben — sonst poetisierte ich wohl auch
manchmal, jetzt treibe ich nichts wie meinen Müßiggang — es
kommt schon wieder — ich habe eben so Perioden, wo ich gar
keine Sprache habe. Wenn ich erst bei Dir bin, tue ich auch wieder
was — ja wenn ich nicht zu einfältig bin, lerne ich das Griechische,
aber Geduld mußt Du Dir anschaffen. Ich verstehe auch ziemlich
Englisch, aber ich habe gar keine Aussprache, weil ich’s nur für
mich getrieben habe, und das Italienische, das ich einmal recht gut
soll gesprochen haben, sprechen wir auch.
Adieu, bester Liebster. Ich wünsche Dir viel Geduld zur
Dechiffrierung meines Briefes.


55. Caroline an Humboldt                      [Burgörner], Sonntag morgen,
                                                         den 13. Jun. 1790

In aller Frühe des Morgens hab ich Deinen Brief emp-
fangen, mein Wilhelm. Gott, ich kann’s nicht ausdrücken,
mit welchem tiefen Gefühl von Wahrheit und Liebe ich
das mein ausspreche, wie ich Dich verwebt fühle in mein innerstes
Leben! — . . . Nein, in den kühnsten Aufflügen meiner Phantasie
hat mir dies süße Bild meines Lebens nicht vorgeschwebt! Ach,
ich habe Mühe, mich zu überreden, daß alles so ist, wie es ist, und
ich könnte besorgt werden für die Zukunft, daß sie nicht mein

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