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[   Band 1 Brief 65:    Caroline an Humboldt     [Burgörner], Dienstag abend den 6. Juli 1790   ]


liebe — o in keinem Moment Deines Daseins verlasse Dich nun
der Gedanke. — Adieu. Ich muß aufhören, aber ich scheide nicht
von Dir.


66. Caroline an Humboldt                       [Burgörner], Montag abend,
                                                            19. Juli 1790

Und Dir ist es oft, schreibst Du mir, als müßtest Du mir
kalt erscheinen — Du, Wilhelm, mir kalt? — Wie könnte
sich denn meine Seele Dir so hingeben, wenn sie nicht
die Deine erwärmt fühlte von derselben heiligen Flamme? Für
diese Lästerung Deiner Liebe mußt Du büßen. Ich vergeß es Dir
nicht, mein trauter, süßer Wilhelm — Du sollst es schon erfahren.
Nicht wahr, Lieber, Du fürchtest Dich wohl recht vor meinen
Strafen? O sage mir, ich bitte Dich, ja, gib mir Waffen gegen
Dich selbst. Wilhelm, wie erwarte ich ihn, den Moment, der mich
wieder in Deine Arme führt! ——— Ängstlich schlägt mein Herz, wenn
ich ihn denke; denke ich ihn nicht immer, immer? Denke ich wohl
noch etwas anderes als ihn? — O Liebster, Du hast mich mir
selbst entwendet, komm zurück und laß mich mein Leben wieder-
finden in Deinem Herzen. —
Carl teilt so schön und rein meine Freude — aber ein un-
nennbares Gefühl bleibt mir im Busen zurück, das nur Du
ahnden und auffassen wirst. Carl war hier den Sonnabend und
Sonntag mit seinem Bruder*) und sagt Dir viel Schönes. Du wirst
ihn abholen, der Bruder ist dann fort — vielleicht begegnet Ihr
Euch unterwegens. Es ist ein gutes, leichtes Wesen, dünkt mich,
es ist eine gewisse Unerfahrenheit und Sicherheit im Umgange mit
Menschen in ihm, die mir aufgefallen ist und die ich nicht ungern

———
*) Franz v. Laroche, † 1791, jüngerer Bruder Carls.

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