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[   Band 1 Brief 68:    Caroline an Humboldt     [Burgörner], Freitag mittag, 10. September 1790   ]


                                   Montag mittag, 13. September 1790

Bill, ich trete noch einmal an das Pult, da ich wieder aus
dem Zimmer komme, in dem Du mit Papa bist, um Dir noch ein
paar Zeilen zu schreiben. Ach, ich ging nicht hinüber, um den Brief
an Deine Mutter Papas Kritik zu unterwerfen, es war mir nur
ein so guter Vorwand, und ich mußte Dich sehen — bestes Wesen,
sei ruhig, wenn Du diese Zeilen liesest, Deine Li wird’s auch sein.
So lang ich Deiner wert bin, werde ich still sein — Deine Liebe
hat mir einen dauernden Genuß in die Seele gewebt — nur im
Herabsinken von der Höhe des Gefühls, zu dem Du mich gehoben
hast, könnte ich mich unbändigem Schmerz überlassen. Ich werde
nicht — o gewiß, ich werde nicht, um mich Dir rein und schön
und unentweiht zu erhalten.
Bill, lebe wohl, vergib, wenn ich so wenig schreibe, ach, Du
bist noch da, und wenngleich auch Papa drüben ist, ist’s so un-
endlich viel, Dir ins Auge zu sehen. — Lebe wohl, süßes, einziges
Leben meiner Seele. Wo Du bist, werd ich sein, denn nur da,
wo Du bist, werd ich leben.


69. Caroline an Humboldt     Dienstag nacht 1/2 4 Uhr
                                  [14. September 1790]

Du gehst nun — ach, Du bist schon geschieden von der, der
Du alles und die Dir alles ist, wenn Du dieses Papier
hältst. Wenn ich in dem Zimmer um mich sehe, ist es so
öde, aber ich denke Dich in der Nähe, und der bange, kalte Schauder,
der mein Herz zu fassen strebt, entweicht — bald wird alles anders
sein — ach Bill, so nahe ist Deine Abreise, und ich habe keinen Sinn
dafür. Ich höre das Gehen hin und her im Hause und fühle jeden
Tritt am Herzen, aber ich fasse nicht, daß Du nicht mehr gegen-

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