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[   Band 1 Brief 111:    Humboldt an Caroline    [Berlin], Mittwoch nachmittag, 22. Dezember 1790   ]


sein könnte. Seine Zeit ist beschränkt. Ihm manches zu schreiben,
aufzusuchen, nachzuschlagen, alles das würde sich finden. Doch
fühl ich wohl, daß sich so etwas von selbst machen muß, nicht ge-
macht werden kann. Du verstehst mich also, daß es auch nicht
einmal entfernter Plan in mir ist, bloße Möglichkeit, Wunsch, wie
Li hatte, wenn sie auf dem Regenbogen sitzen wollte. . . .
Wäre an ein Versetzen in ein anderes Land einmal zu denken,
so wäre mehr Vorteil dabei, auch für die äußeren Verhältnisse,
als bei dem Schneckengang hier. Darum, wenn Du, oder Lili,
kannst, so rede vertraut mit Dalberg. Schon seine Idee bloß wäre
mir wichtig, nicht als Rat, den hab ich nie geliebt, aber als andre
Ansicht, an der ich die meinen wiederum prüfen kann. Es ist
Deines Bills und Deine liebste Angelegenheit, Li. O! so ein
Leben mit Dir, unter diesem Menschen. Ach! Li, es wäre eine
einzige Existenz!
Nun lebe wohl, Li. . . .


112. Caroline an Humboldt  [Erfurt], Donnerstag abend 6 Uhr,
                                     30. Dezember 1790
Da saß ich eben mit Lili in ihrem kleinen, stillen Zimmer,
und wir schwatzten von allerlei, und wie dies und das
werden könnte. Lili ist eben so ein Kind wie ich — wir
erzählen uns oft allerhand Märchen, und dann mitten unter dem
Lächeln, das sie uns entlocken, fließen Tränen. Will Bill wissen,
was wir schwatzen? Ach ja, Bill muß alles wissen. Wir redeten
so ab, wie Du Deinen Abschied nehmen solltest, wenn Deine
jetzigen Arbeiten fertig wären, und herziehen. Schiller mißfällt sich
auch sehr in Jena unter den Büchermenschen. Er geht dann auch,
und wir nehmen hier ein Haus. Lili ist einen Monat hier und

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