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[   Band 1 Brief 132:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], 19. Februar 1791   ]


nicht wieder über sie zu sprechen gekommen wie sonst; ach, ich glaube
es Dir gesagt zu haben, wie er anfangs ganz von ihr schwieg, und
wie schmerzlich mich das an seiner Seite bewegte. Ich glaube nicht,
daß ich mich anders benehmen konnte, denn jedes Eindringen in das
Gefühl eines Dritten wird so leicht drückend, und ich empfinde so tief,
wie nur das Schöne und Beglückende aus dem unverletzt Schönen
hervorgeht. — Du hast mir letzt über Lilin geschrieben, mit un-
endlich vieler Wahrheit. Nie hab ich es mehr empfunden, als wie
sie das letztemal hier war. So ist ihre Seele noch nicht erfüllt ge-
wesen, wie von Dalberg. Wir haben sie mit Schiller gesehen, und
Lili selbst hat mir gestanden, daß die Tage, die wir zusammen in
L[auchstädt] zubrachten, die ergreifendsten zwischen ihr und Schiller
gewesen seien, aber es war anders. Jetzt hatte ihre Seele nur den
einen Gedanken, und wo er ihr einen Augenblick verdrängt wurde, ent-
ging ihr das Leben. — Nicht immer konnt ich ihren Gefühlen folgen.
Ich fand sie still in Momenten, die meine tiefste Seele zerrissen —
vergehend in Wehen, ohne den Gang ihrer Empfindung zu fassen,
ewig mehr in Hoffnung, als in der Gegenwart und Vergangenheit
lebend. Dalberg selbst klagte mir einmal, sie entginge einem so
schnell, wenn man sie zu haben glaubte, fände man sie nicht mehr.
Und in ihm ist’s fast ebenso. Die Lebhaftigkeit seines Geistes vollendet
den Gedanken, den man mit ihm teilen wollte, und vollendet ihn
oft anders, als er in dem andern war. . . .

                                                         Montag
Lebe nun wohl, mein liebes, süßes Wesen. Papa war gestern
wieder heiter und vergnügt, nachdem er den Brief von sich gegeben.
Lili, Schiller und Lottgen grüßen.

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