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[   Band 1 Brief 136:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], 2. März 1791   ]


jemals etwas sein. Ach, Du mein einziggeliebtes, schönes Wesen,
läg ich zu Deinen Füßen und hörte aus Deinem Munde die
tröstende Stimme, die nur leise in meiner Seele tönt, daß nichts
verloren geht, daß einst alles sich lösen wird zu ewiger Harmonie.
—— Ich muß aufhören, es hat mich angegriffen, daß ich nichts mehr
sagen kann.

                                                         3. März
Mit meiner Gesundheit geht’s besser, die Krämpfe sind fast
ganz vorbei, und ich will nun auch sehen, wie ich’s mache, um
wieder hübsch zu werden, daß ich meinem Bill gefalle, wenn er
kommt. Werd ich? — Sag, liebes Wesen? — Ach, so hat Dir
die Nadel so viel Freude gemacht. Fühlt es so und bin darüber
in der Stube herumgetanzt. Nun lebe wohl, mein süßes, einziges
Wesen, und nimm den innigsten Kuß.


137. Caroline an Humboldt   [Erfurt], Freitag abend, 4. März 1791

Ich war heute im Freien mit meinem Bruder. Er hatte
einen Bekannten, mit dem er sich unterhalten konnte, und
so durfte ich schweigend neben ihm gehen, verloren in die
süßen Träume meines Herzens. Mit welchen Gefühlen sie mich
durchströmt, diese neu auflebende Natur, das Wehen milderer Luft,
des nahen Frühlings Verkündigerin. — In seinem höchsten Glanze
werd ich ihn mit Dir begrüßen. Die Blütenzeit des Jahres wird
auch die meines Lebens sein. Aber nicht so schnell wie jene wird
sie vorübergehn. Ewig neu, ewig wechselnd und doch ewig das-
selbe Glück, wird es unser Herz umfangen und uns näher dem
geahndeten Ziele vollendeter Schönheit bringen. Ach, wenn ich die
Zukunft zu fassen vermag, es sind lichte Momente, in denen gleich-

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