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[   Band 2 Brief 43:    Humboldt an Caroline    Vitoria, 7. Mai 1801   ]


Nationalstolz haben, und da ich gleich mit allen bekannt wurde, so
kam ich dadurch ins Innerste der Nationaleigenheiten. Auch ging
ich viel im Felde spazieren, und da die Leute, die dort arbeiteten,
und die so außerordentlich gutmütig sind, sahen, daß ich auf ihre
Arbeit und ihre Ackerwerkzeuge acht gab, daß ich etwas Baskisch
verstand und sprach, so waren sie von einer ordentlich merkwürdigen
Freude darüber und riefen mich schon von fern heran. Außerdem
war der Generaldeputierte von Bilbao dort, an den mich Esquia
empfohlen hatte, ein sehr aufgeklärter, unterrichteter, denkender und
höchst liebenswürdiger Mensch. Im Schloß ging es indes auch so
ziemlich. Freilich fehlte es an vielerlei. Aber die Betten waren
doch gut, das Essen ohne Öl und der Salat sogar mit sehr gutem,
und die Leute so willig und gutmütig, daß wir wenigstens Herren
im Hause waren. Von Marquina aus war eigentlich unser Plan,
wieder rückwärts nach Ernani, wo wir durchgekommen sind, zu gehen,
um den König von Toskana *) dort durchreisen zu sehen. Man gab
ihm dort ein Fest mit einem sehr sonderbaren alten Nationaltanz,
dem Degentanz, und ich hätte sehr viel darum gegeben, dies Schau-
spiel zu genießen. Aber so mußten wir wegen Bokelmanns Krankheit
liegen bleiben, und ich mochte ihn natürlich nicht mitten in Marquina,
da er fast noch gar nicht Spanisch spricht, unter den Urgestalten der
Öde die einzig redende Brust, allein lassen.
Auf dem Wege hierher kamen wir durch Bergara. **) Da ver-
sammelten sich meine alten Freunde um mich, und da ein Brief
meines Bruders in den Anales de historia natural gestanden hat,
so war der Baron de Humboldt so bei allen Seminaristen bekannt,
daß Bokelmann versicherte, er habe unsern Namen nie so klar aus-
sprechen hören. Hier hat mich der alte Prestuano, dessen Du Dich
wohl noch erinnerst, mit der größten Herzlichkeit aufgenommen, mich

———
*) Herzog Ludwig von Parma, den Napoleon 1801 zum König von
Etrurien — bis dahin Großherzogtum Toskana — machte. — **) Jetzt Bergara.

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