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[   Band 2 Brief 49:    Humboldt an Caroline    Bayonne, 1. Junius 1801   ]


ist eine Abtei, es ist aber außer dem Schlachtfelde nichts Interessantes
zu sehen. Ich ritt also am andern Morgen wieder herunter. In
Mauléon bin ich wieder mit baskischer Musik umgeben gewesen.
Dort ist es Sitte, daß die jungen Leute und Mädchen in der Stadt
und in den Dörfern eine Art Komödie aufführen, die sie Pastorale
nennen, die aber, wie die altspanischen, Tragödien und Komödien
zugleich sind. Es gibt eigene Pastores, gemeine Bauern, die diese
Pastoralen machen und wie die alten griechischen Dichter dann
auch die jungen Leute in der Deklamation unterrichten. Die Aus-
sprache des Baskischen ist hier süßer und hat etwas Flötendes,
das besonders im Gesang hübsch klingt. In Mauléon war ein
Receveur des [?], der mich sehr en affection nahm. Dessen Frau,
die schon gut 50 Jahr alt war, hatte in ihrer Jugend von einem
Deutschen ein deutsches Lied gelernt, und sie quälte mich entsetzlich,
ihr dies Lied zu erklären. Die Töne hatten sich aber in dem Ge-
dächtnis dieser alten Baskin so verändert, daß ich Dir schwöre,
daß ich nichts als »kommst du« und ein andresmal »weiße Brust«
habe unterscheiden können. Es war ordentlich merkwürdig zu hören.
Alles übrige sah auch schlechterdings gar keiner Sprache mehr ähnlich.
Lebe wohl, meine gute, teure Li. Ich freue mich unendlich, Dich
nun wenigstens in zwölf bis vierzehn Tagen gewiß zu umarmen.
Grüße Schlabrendorff herzlich. Es freut mich, daß er so oft zu Dir
kommt. Überhaupt wirst Du doch durch diese Abwesenheit gesehen
haben, daß die Menschen gern Dich besuchen. Leid tut es mir, daß
Schlabrendorff nicht recht gestimmt scheint. Es ist ein eigenes Schicksal,
daß das Glück so selten ist. Ich freue mich immer doppelt, so oft
ich das bedenke, über mein Geschick, Dich gefunden zu haben. Ich
hätte gewiß auch ohne Dich zu den Menschen gehört, die in der
günstigsten äußeren Lage die innere Zufriedenheit und Fülle entbehren.
Es gibt doch nichts anderes, nichts Genügendes in der Welt, als
mit einem Wesen, mit dem man sich innig versteht, mit Kindern, in

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