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[   Band 2 Brief 54:    Humboldt an Caroline    [Rom], 7. März 1804   ]


54. Humboldt an Caroline                      [Rom], 7. März 1804

Es ist eine Totenstille im Hause, liebe, gute Li, seit Du mit
Kohlrausch und den Kleinen weg bist. Die Adel ist sehr
lieb und ein großer Trost. Sie ist seitdem nicht von meiner
Seite gekommen und spielt so still und doch so heiter für sich fort,
daß es eine Freude ist. Sie singt dabei ewig italienische Lieder, und
die Puppen sind mit Hilfe der Hofdame schon alle in die seidenen
Lappen gekleidet, die Du ihr gelassen hast. Wenn man fragt, wo Du
bist, sagt sie: »in Paris«, und wann Du wiederkommst: »morgen«.
Oft strampft sie auch mit dem Fuß und schreit: »Warum auch Mutter
immer weggehn«. Und ich kriege, wie Du denken kannst, die schönsten
Namen, Hübscher, Alter, mein Vater. Kurz, sie ist unaussprechlich
lieb. Die kleine Gabriele ist wohl, und noch ist Ruhe im Hause. Aber
ich habe auch am Anfang sehr starke Anreden an alle Parteien gehalten
und Liebe und Furcht aufs prächtigste gemischt. Aber Mariuccia kann
ich gar nicht los werden. Sie scheint ein wahres Penelope-Gewebe
vorzuhaben, denn sie versichert alle Abend, es sei noch nicht fertig.
Ich habe mich sehr weislich auf nichts Bestimmtes eingelassen, damit
sie mich nicht überführt, aber angedeutet, heute müßte es nun zu
Ende kommen. Nun will ich sehen.
Wie mag es Dir gehn, armes Kind? Ich habe recht oft vor-
gestern und gestern zum Fenster hinausgesehen, nach dem Monte
Mario hin, und an Dich gedacht. Gestern war des armen Theodor
Fiebertag. Ich bin recht ungeduldig, zu wissen, wie ihm das Fahren
bekommen ist. Mit Kohlrausch bin ich zwar ruhiger, indes weißt
Du, daß die Besorgnisse immer wachsen, wenn man so lange auf
Nachricht warten muß. Ich hoffe, Du hast mir von Perugia aus
geschrieben, da kann ich vielleicht schon Sonnabend einen Brief
haben. Heute kommst Du nach Terni. Es ist hier ein himmlischer
Tag. Gestern war es desto schlechter.

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