< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 2 Brief 57:    Caroline an Humboldt     Modena, 16. März 1804   ]


sehe oft stundenlang, während die andern schlafen, dem Umrollen
der Räder zu, und denke dabei, wie ein jedes mich von Euch entfernt.
Auf Theodor scheint die Reise sehr günstig zu wirken; ich kann zwar
noch nicht wie Kohlrausch finden, daß er an Fettigkeit zunähme, aber
an guter Farbe ist es unstreitig. 
Der gestrige Tag über die Apenninen war etwas fatigant, im
übrigen bin ich wohl.
Meistens in alle diese Städte, wie Florenz, Bologna, Modena,
sind wir, Du und ich und Wilhelm, im kleinen Wagen allein voraus
hereingefahren. Du allein magst begreifen, wie es mir ist, überall
ohne ihn und ohne Dich zu sein und zu wissen, daß er nirgendmehr
zu erreichen ist. Ich kann nicht sagen, daß ich an ihn denke, aber er ist
mit mir, ewig — seine Gestalt, die Gedanken an ihn verlassen mich
so wenig wie das Gefühl meines eigenen Seins. Ach, und wie ist
es Dir, mein teurer Wilhelm? Wenn Du still und ernst bei seinem
stillen Grabe stehst, so denke auch an mich.
Ich bin müde. Umarme meine kleinen Mädchen, vor allen
meine holde Adel. Empfiehl mich auch Moltkes, dem alten Baron
und Schick. *) Adieu, Geliebtester.
Ich weiß nicht, welch Wetter Du in Rom hast, aber wir ge-
nießen des heitersten Himmels, doch ist es nicht mehr das tiefe
Blau über der spanischen Treppe — eine Nuance lichter.

———
*) Gottlieb Schick, junger Württemberger, der später die reizenden
Familienporträts der Humboldts malte, starb jung 1812.

                                                                       131