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[   Band 2 Brief 64:    Caroline an Humboldt     Erfurt, 18. April 1804   ]


hinzieht, so dispensiere ich mich natürlich, ihn zu begleiten und gehe
nach Weimar, wo ich bei Carolinen mit den Kindern wohnen kann.
Auf einen Tag will ich ehestens hinüberfahren. Ich habe ein großes
Verlangen, Schiller und Goethe zu sehen. Sie haben mich beide freund-
lich grüßen und mir sagen lassen, sie würden einmal zusammen
herüberkommen, mich zu sehen, allein das tentiert mich wenig, denn
Papa will sie dann doch bei sich haben. Schillers Wilhelm Tell ist
schon gespielt, Lolo hat mir halb und halb versprochen, das Manu-
skript herüber zu schicken. Ich erwarte einen Brief von Ernst *) mit
der Nachricht, ob er nach geendigtem Generalkapitel hierherkommen
wird oder nicht. Ich möchte ersteres, weil es Papa hier aufhielte.
Auch wegen der Lehrmeister, die die Kinder haben, wünsche ich hier
zu bleiben. Ich habe mir auch mein Badewesen wieder eingerichtet,
und Mittwoch und Sonnabend morgens um 10 Uhr kannst Du
mich im Wasser denken. Du mußt Dich nun einmal in diese
Amphibiennatur bei mir ergeben.
Deine Pindarische Ode freut mich ungemein, Du weißt, daß
ich immer gewünscht habe, Du möchtest ihn nach und nach be-
endigen. Aber schmerzen könnte es mich beinahe, wenn meine Ab-
wesenheit Deiner poetischen Stimmung günstiger als meine Nähe
wäre. Doch laß Dich ja den kleinen Vorwurf nicht stören und
fahre ja bald fort, wenn es Dir in Sinn und Gemüt kommt. Das
Sonett an Moltke **) ist sehr lieblich, volltönend und gehaltvoll. In
die Pindarische Ode muß man sich immer erst wieder hineinlesen,
aber das kommt bald.
Ach, auch mir, meine Seele, glaube es nur, bleibt die Erinne-
rung der früheren, der ersteren Jahre unserer Verbindung ewig
gegenwärtig und teuer. Ich könnte auch gleich wieder mit Dir in
dieselbe einfache Situation, in dieselbe tiefe Einsamkeit zurückgehn,

———
*) Ernst v. Dacheröden, Carolinens Bruder. — **) Vgl. S. 132.

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