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[   Band 2 Brief 67:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], 29. April 1804   ]


Goethe, das sei der Gruß der Elisabeth. Ich konnte nur sehr kurz
bei ihm bleiben, da der Weg übel war und kein Mondenschein.
Riemer *) kam in den Garten mit Theodor, den ich ihm schon
früher zugeschickt hatte. Goethe wird Dir dieser Tage schreiben
und freute sich, sagte er, auf die Tage, wo ich nach Weimar kommen
würde.
Die einzig gute Einrichtung, die man bei dem Aufenthalt in
Burgörner durch die preußische Verfassung **) hat, ist die Schnellig-
keit in Besorgung der Briefe. Die Briefe, die Mittwoch und Sonn-
tag hier ankommen, sind Donnerstag und Montag in Burgörner.
Meine Gesundheit ist über alle Beschreibung gut. Theodor
und Caroline sind wohl, doch will ersterer noch gar nicht an Fettigkeit
zunehmen. Ihn eine gute und gesunde Diät bei Papas gewöhn-
lichem Tisch finden zu machen, ist kein schlechtes Kunststück. Papas
Magen muß ausgepicht sein. Heute hat er fünf Sorten sauren
Wein gekostet, sieben Sorten schlechten Kaffee und von drei fetten
Schüsseln gegessen, am Abend talgigte Waffeln gegessen, und doch
ist er wohl. 
Tieck ***) habe ich in Weimar nicht gesehen, wir haben uns ver-
fehlt, aber einige seiner Arbeiten, die gut sind und denen man
dennoch anfühlt, daß er fort sollte.
Es ist ein Buch herausgekommen von Schötz in Berlin, was
Lagrimas heißt, und von dem Goethe gesagt hat, zu deutsch hieße
es Heularsch. Sie wollen haben, ich soll es Dir mitbringen.
Mit der Prinzessin †) und der Heirat in Petersburg soll es
noch weitläufig aussehen. Eigentlich weiß kein Mensch was, denn

———
*) Der Philologe Riemer war 1803 kurze Zeit als Hofmeister im
Humboldtschen Hause in Rom gewesen, dann in derselben Eigenschaft bei
Goethes Sohn, später Gymnasialprofessor und Bibliothekar in Weimar. —
**) Erfurt war seit 1802 preußisch. — ***) Friedrich Tieck der Bildhauer. —
†) Großfürstin Maria Paulowna von Rußland, die im Juli 1804 mit dem
Herzog Carl Friedrich von Weimar vermählt wurde.

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