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[   Band 2 Brief 79:    Humboldt an Caroline    Rom, 13. Junius 1804   ]


gestern auch die Talg-Simonie, die bisher noch in den Händen des
Volks war, übernommen hat und so alle Gewalten in sich ver-
einigt. Das Volk haßt ihn aber auch entsetzlich. Vor Antonios
Verrücktheit sei außer Sorge. Wir verschließen alle Türen, und
außer seiner eignen Tochter kann er niemand morden. Auch ist er
ziemlich vernünftig.
Lebe herzlich wohl. Ewig von ganzer Seele Dein H.


80. Humboldt an Caroline      Rom, 19. Junius 1804

Es ist Dienstag, liebe Li, und ich habe heute Mittag Deinen
Brief Nr. 13 bekommen. Deine Schilderung Burgörners
ist himmlisch. Wie kannst Du aber sagen, liebes, teures
Wesen, daß Du es in der Reihe der Jahre, die wir miteinander
verlebt haben, doch wohl noch besser hättest machen können? Du
mußt immer gesehen haben, wie ruhig, wie zufrieden, wie mit Dir
und den Kleinen glücklich beschäftigt ich mit Dir gelebt habe. Du
hast mir nie einen Kummer gemacht und mir so viele und so große
Freuden geschenkt, die größeste durch Deine bloße Existenz neben
und mit mir. Den meisten Menschen, auch den Männern, werden
beim Heiraten die schönsten und zartesten Gefühle abgestumpft. Es
gehört viel dazu, wen die Alltäglichkeiten des Lebens nicht herab-
ziehen, nicht gleichgültig machen sollen; besonders überleben un-
geheuer selten die Frauen diese Epoche, und natürlich, weil sich ihre
Lage mehr ändert und aus gänzlicher Freiheit und Muße in weit
größere Geschäftigkeit übergeht. Darum muß ich wohl sagen, bin
ich im ganzen dem Heiraten gar nicht sonderlich gut. Du bist
Dir immer nicht nur so ganz und unendlich gleich geblieben, sondern

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