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[   Band 2 Brief 90:    Caroline an Humboldt     Paris, 6. August 1804   ]


gelegt auf den rechten Arm da steht. Es ist ganz Wilhelms üppiger
Körper und seine süße Freundlichkeit. Der untere Teil des Gesichts
ist anders, aber der obere ist so unbeschreiblich ähnlich, daß mich
ordentlich die langen Ohren ärgern, die die Statue hat. Ach, gestern
ist es ein Jahr gewesen, wo er voller Leben mit uns nach Rom
hereinfuhr — zum letztenmal. Du drückst mir ganz meine eigenen
Empfindungen aus, wenn Du mir sagst, es sei Dir oft, als müsse
er Dir begegnen. Hier in den Straßen, auf dem Museum, überall
kommt er mir blühend entgegen, meinem inneren Sinn ist er auf eine
unbegreifliche Art gegenwärtig, und die Tage, die jetzt jährig sind,
bieten mir eine ununterbrochene Reihe von Erinnerungen dar — bis
zur letzten, wo ihm die glänzenden Augen brachen und sein letzter
Hauch auf meinen Lippen verschwebte.
Lebe wohl, mein teures, liebstes Leben. Ich muß für heute ab-
brechen. Tausend Küsse meinen kleinen Mädchen.


91. Humboldt an Caroline                  Marino, 8. August 1804

Dein lieber Brief vom 18. und 19. v. M. hat mich aus
wirklicher Besorgnis gerissen. Ich sehe, daß Du wohl
bist, selbst schreibst, und Dich trotz der Freude, die Du an
Paris findest, auf die Rückkehr hierher freust. Auch wir, liebe, teure Li,
erwarten Dich mit unendlicher Sehnsucht, ach! und es ist himmlisch
hier. Alle Nachmittage, sobald es kühler wird, und es ist hier um
vier Uhr nie mehr warm, gehe ich bis acht aus, durchkrieche alle
Winkel und Weinberge und genieße himmlische Anblicke. Vorgestern
noch habe ich Deiner mit so tiefem Verlangen gedacht. Du erinnerst
Dich vielleicht des Weges von Marino nach Grotta Ferrata, er ist
zu beiden Seiten reich mit Weinbergen und Bäumen besetzt. Bei der

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