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[   Band 2 Brief 99:    Humboldt an Caroline    Marino, 29. August 1804   ]


mäßig handeln müsse. Wir, liebe Li sagten immer in Auleben,
wie Du wohl noch weißt: hohe Weisheit, tritt zurück, weiche vor
der Liebe! und damit halte ich es noch. Umarme die Kinder und
lebe innigst wohl! Ewig Dein H.


100. Caroline an Humboldt             [Paris], 3. September 1804

Ich bin einige Tage in großer Besorgnis um die kleine Louise
gewesen, mein teurer Wilhelm. Die liebe Kleine bekam von
freien Stücken, wenigstens ist uns keine veranlassende Ursache
klar geworden, heftige Krämpfe und Fieber. Ich habe unbeschreiblich
gelitten, wie Du denken kannst, um so mehr, da ich eigentlich niemand
sagen wollte, daß zu den Schmerzen der Gegenwart alle Schmerzen
der Erinnerung hinzukamen.
Kohlrausch hat das Kind sehr einfach und gut behandelt, seit gestern
ist sie besser, und ich hoffe, es wird so übergehn. Immer aber muß man
doch durch etwas gestört werden. Kaum war Theodors Auge besser,
so kam nun dieses, und vorgestern abend erschreckte uns Theodor durch
einen Fall aufs Knie. Theodors Auge hat mir, ich will es nun, wo
er gewiß nichts davontragen wird, nur gestehen, die größte Angst
gemacht. Es war so schrecklich verdunkelt, daß ich nicht glaubte, daß
es je wieder werden könnte. Nun aber bin ich ruhig, er sieht auch
schon wieder beinah ganz deutlich, und die Verdunkelung nimmt noch
täglich ab. Carolinens Gesundheit hält sich vortrefflich, es liegt mir
ordentlich etwas Moralisch-Edles in dieser festen Gesundheit.
Alexander lebt die acht Tage, so er nun hier ist, unendlich
beschäftigt und fetiert. Er kommt meistens des Morgens um sechs
Uhr her zu Kohlrausch, arbeitet hier oder schwatzt. Um neun Uhr
kommt er zu mir hinüber, und wir frühstücken zusammen. Wenn

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