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[   Band 2 Brief 109:    Humboldt an Caroline    Rom, 9. Oktober 1804   ]


erfaßt und in meine Menschheit verwandelt«, der hat sein Ziel er-
füllt, der kann nicht wünschen, wieder anzufangen, um nun erst das
Rechte zu ergreifen. Er hat getan, was im höheren Sinne des
Worts Leben heißt, und es ist Torheit, das Leben einem fremden
Zweck unterwerfen zu wollen. Man spinnt es aus wie der Seiden-
wurm, solange der Faden reicht, und damit ist es am Ende. Ver-
zeih, liebe Li, daß ich so schwatze, aber ich lasse mich so gern gehn
mit Dir. Dir danke ich die schönsten Freuden, die innerste Bildung,
ohne Dich hätte sich nie mir das Höchste erschlossen, über das
Innerste kann ich mit niemand reden als mit Dir. Glaube mir
auch, liebe Li, uns wird selbst der Tod nicht trennen. Ein gewisses
Aufnehmen der Seele ineinander ist und muß ewig sein. —
Grüße den guten Kohlrausch, der sich so treu nach Hause
sehnt, und umarme Alexander und die Kinder. H.


110. Caroline an Humboldt               Paris, 14. Oktober 1804

Deine lieben Zeilen vom 25. September habe ich richtig
empfangen, mein teures, liebes Herz, und danke Dir
tausendmal. Es schmerzt mich sehr, daß Du so viel zu
tun hast, und ich habe mich den 1. Oktober sehr gefreut, zu denken,
daß Du nun einen Monat lang Ferien haben wirst. Ich glaube
immer, mein Liebster, Du mußt künftig auf einen Sekretär denken,
oder der Hofmeister müßte Dir darin dienlich sein können, denn
wenn es so bleibt und die Geschäfte so wachsend gehn, wie seit-
dem Du die Stelle hast, hältst Du es nicht aus. Sollte man Dir
von Berlin aus nicht eine Gehaltzulage für einen Sekretär geben?
Ich habe keinen Zweifel daran, und Deine Gesundheit macht es mich
sehr wünschen.

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