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[   Band 2 Brief 111:    Humboldt an Caroline    Marino, 16. Oktober 1804   ]


und Herziehen der Kinder, daß sie sich erkälten. Vielleicht, wenn es
nicht zu unangenehm wird (seit dem 1. Oktober ist hier ewiger Regen
und Sturm), bleibe ich noch bis zum 10. November hier. Die
Weinbäder, die, da der Wein bis jetzt noch nicht gegoren hatte,
erst morgen angehn können, dauern so lange. Gabriele ist zwar
sehr wohl, aber die Bäder sind immer gut. Dann hält mich auch
der Albaner See. Auch in Sturm und Regen ist er schön. Die
Wolken fahren göttlich bald schnell über ihn hin, bald rollen sie
sich in ihn hinab, bald bleiben sie auf den Vorgipfeln des Monte
Cavo hängen, und Sonne und Mond blicken doch immer stellenweis
durch. So ein unbarmherzig behangener Himmel als bei uns ist
hier gottlob nicht. Adelheid fährt in ihrer blühenden Gesundheit
fort. Sie sagt beständig: »Voglio ingrassarmi«, und sie hält sehr
ehrlich Wort. Aber was mir leid tut, der deutsche Laut erstirbt
ganz auf ihren Lippen. Wie man auch jetzt Deutsch reden mag, sie
versteht alles, aber antwortet immer Italienisch. Ein einziges »Ja!«
habe ich ihr neulich abgepreßt. Wieder ordentlich Deutsch reden zu
hören, wird mir ordentlich wohl tun. Wunsch’s kauderwelsche Sprache
verdient den Namen nicht und Zoëgas auch nur halb. Überdies da
jetzt der Baron *) hier ist, zwingt sich auch Wunsch zum Italienischen.
Mit Kunth stehe ich jetzt in sehr lebhaftem und äußerst freund-
schaftlichem Briefwechsel. Mit Alexander fängt er es ungeschickt
an, und ich werde es ihm schreiben. Er scheint ihn ewig anzuklagen,
daß er sich in seinem Vermögen zurückbringt, und doch ist das jetzt
noch nicht wahr. Wenn Alexander tut, was er tun kann, um die
Reise für seine Verhältnisse in Berlin zu benutzen, so ist die Reise
gerade ein Mittel, sich auf immer in eine günstige Lage zu setzen.
Ob er sich nun in Berlin vernünftig machen wird, ist doch abzu-
warten. So wie Kunth es meint, wird er es nicht, aber jeder hat

———
*) Baron Brown, der in Rom auch im Palazzo Tomati wohnte.

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