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[   Band 2 Brief 113:    Caroline an Humboldt     [Paris], 30. Oktober 1804   ]


das Schicksal hat mir noch viel aufbewahrt. Ich schließe Dich tausend-
mal an mein Herz. O, wäre ich statt dieses Briefes bei Dir und
den Kindern, die ich an meine Brust schließe!


114. Caroline an Humboldt                 [Paris], 4. November 1804

Ich denke Dich jetzt, mein geliebtes Leben, sehr ernstlich auf
Deinen Rückzug in die Stadt bedacht, und auch ich denke
sehr auf meine Abreise. Ich trage die tiefste Sehnsucht
nach Dir und den Kindern im Herzen, und künftigen Dienstag
schreibe ich Dir bestimmt den Tag, wo wir abgehn. Man versichert
zwar, die Krönung sei künftigen Monat, allein ich glaube, es kann
es niemand wissen, und mein innerer Sinn stimmt auch wenig zu
solchen Festen. Mein Herz ist unbeschreiblich zerrissen über den Verlust
meiner schönen Louise. Ich träume oft von ihr und von Wilhelm,
ich sehe sie beide, — noch letztens dünkte es mich, spielten sie zu-
sammen und waren wie umflossen von einem Meere von Glanz
und Licht. Ach, ob sie noch sind, ob sie fühlen, lieben und leiden,
ob sie sich sehnen nach dem Herzen, das sie so unaussprechlich liebt
und das Leben und den Tod mit ihnen empfunden hat, darüber
versinke ich in mir in stilles Sinnen. Ich weine viel, und meine
Tränen lösen mir zuweilen die tiefen Schmerzen der zerrissenen Brust.
Aber manchmal auch nicht, und dann wird mir sehr bang, und das
klarste Gefühl, was mir bleibt, ist die Sehnsucht nach Dir.
Ich habe auf Louisens erblaßtem Gesicht einen Abdruck nehmen
lassen und bringe ihn mit. Es ist natürlich ähnlich, doch ist der
Reiz des Lebens hinweg, und alle Züge tragen die Spuren des
furchtbaren Todes. Ja, furchtbar ist er, weil er so unerklärlich ist,
und vor ihm versinkt das Herz in alle Qualen peinlicher Zweifel.

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