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[   Band 2 Brief 124:    Humboldt an Caroline    Rom, 5. Januar 1805   ]


im Neuen werde ich mit unaussprechlichem Genuß das Alte wieder-
finden, was mich nun schon so lange beglückt hat. Mache nur, daß
Du bald hier bist, wir wollen gewiß recht still, recht für uns und
allein und recht glücklich leben. Wenn ich mir dächte, daß Du nur
um meinetwillen in dieser Jahreszeit über die Alpen gingest, wäre
es mir unerträglich, Dich so leiden zu wissen. Hier zwar ist eine
himmlische Luft, mäßige Tramontana, heiterer Himmel und göttliche
Farben am Horizont. Aber wie mag es dort sein! Mich schaudert,
wenn ich dran denke. Es ist mir ein Trost, daß Du auch um der
lieben kleinen Mädchen willen kommst, und die verdienen wirklich, daß
Du wieder bei ihnen bist. Sie werden Dir unendliche Freude machen.
Hätte ich Dir noch können einen Brief zukommen lassen, so
hätte ich Dir den Rat gegeben und Dich recht inständigst gebeten,
einen Wagen in Paris zu kaufen und Post zu nehmen. Die
Diligencen müssen im Winter sehr unangenehm sein.
Adelheid und Gabriele spielen eben sehr laut in der blauen
Stube. Sie so zusammen zu sehen wird für Dich ganz neu sein.
Sie tanzen und singen zusammen: »Le donne di Gaëta, che filano
la seta« und tausend andere gleichartige Lieder. Du weißt schon
aus meinen vorigen Briefen, daß Gabriele jetzt immer bei mir oder
Wunsch ist. Sie ißt bei Tisch so vernünftig wie ein großes Kind,
weint nie und spricht nur vor und nach dem Essen. Das Essen
selbst hält sie sehr heilig. Sie ist fast ausgelassener lustig als Adel
und spricht wie eine Atzel. Adel macht sich jetzt häufig über das
Deutsche lustig und sagt: »io dico ja! io dico nein!« Über ihr
Italienisch wundert sich jedermann.
Im Hause, liebe Li, findest Du die göttlichsten Änderungen.
Ich freue mich wie ein Kind, Dir alles zu zeigen. Auch die Rech-
nungen vom ganzen Jahr sind in Ordnung. Ach! Du allein fehlst,
und alles ist doch nur gemacht im Gedanken, daß es Dich freuen
oder Dir bequem sein könnte.

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