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[   Band 3 Brief 7:    Humboldt an Caroline    Nürnberg, den 7. November 1808   ]


ich sicher bin, wirklich etwas Eigenes leisten zu können. Nötig,
das fühle ich, wäre es wohl, denn wie viel auch z. B. in
Bayern aufgewandt wird, so geschieht doch blutwenig. Überhaupt
fehlt, wenn ich von hier urteilen soll, die nötige Regsamkeit, und
nicht aus Verzweiflung oder Not, sondern eher aus Apathie,
verbunden mit einem gewissen Wohlleben. Bei mehreren kommt
auch das Alter hinzu. Jacobi ist, was ich nie geglaubt hätte,
65 Jahre alt und viel weniger geistestätig, auch im Umgang, als
sonst; er dreht sich meistenteils nur in den paar alten, längst und
oft von ihm ausgeführten philosophischen Ideen herum. Die
Wirkung, die das Alter hierin, und selbst in seinem gar nicht mehr
schönen und wie sonst von Geist und Lebendigkeit strahlenden
Gesicht gemacht hat, ist ordentlich schmerzhaft zu sehen und spricht
sehr gegen meine Theorie. Doch denke ich, werden Du und ich,
liebes Kind, eine Ausnahme machen; Du wirst immer hübsch
bleiben, und ich werde mich so erhalten, wie ich bin. Jacobi gibt
und gab immer den kleinen Schwächlichkeiten zu sehr nach, es
kommt nur auf das Widerstehen an. Du kennst Jacobis Manier,
alte Briefe aufzuheben und wieder zu lesen. So hat er einen von
mir aus Paris über den französischen Charakter, aus dem er un-
endlich viel macht, und der wirklich zum Besten gehört, was ich je
gemacht habe. Ich habe ihm erlaubt, ihn drucken zu lassen, wenn
es ohne meinen Namen geschehen kann. Die französische Sprache
und Literatur (denn nur davon ist die Rede darin) lieben, werden
groß Ärgernis daran haben.
Ich habe Briefe von Reinhard *) an Jacobi über Friedrich
Schlegels **) Katholischwerden gelesen, in der alten echt deutschen

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*) Französischer Minister, auf dessen Gut bei Köln Schlegel damals wohnte.
**) Friedrich v. Schlegel hatte 1804 Brendel Mendelssohn, geschiedene
Veit, geheiratet, die kurz vorher protestantisch geworden war. 1808 traten
beide zum Katholizismus über.

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