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[   Band 3 Brief 38:    Humboldt an Caroline    Berlin, den 28. Januar 1809   ]


gutes Dritteil der Wolken des Aristophanes in allen schwierigen
Silbenmaßen des Originals übersetzt, und wirklich meisterhaft.
Mein Agamemnon wird nun gewiß in wenig Monaten gedruckt.
Ich gebe ihn in das Museum, reserviere mir aber zum Verschenken
viele mit eigenem Titel gedruckte Exemplare. Die eigentlichen
Prachtausgaben, weißt Du, liebe ich so nicht.
Bei der kleinen Levi *), die sich jetzt Mademoiselle Robert nennt,
war ich auch zweimal. Sie rühmt sich sehr der Freundschaft Alexan-
ders. Wenn man sich nun der Alexanderschen Briefe erinnert, scheint
das wunderbar, doch spottet und schmeichelt er freilich sehr oft zu-
gleich. Der Tugendruf der Kleinen hat eben nicht zugenommen,
sonst ist sie wie vormals, nur unendlich allein. Ich habe niemand
à point nommé da gefunden. Die ewige Gesellschafterin ist bloß
Nettchen, und beide sind in heftigem Krieg und unendlicher Wut
mit und gegen unsern neuverheirateten Freund **). Bielefeld ***),
der in Konstantinopel war und jetzt aus Dresden kommt, versichert,
die neue junge Frau sei recht hübsch, aber noch ganz leer. Er
schildert sie wie eine unbeschriebene weiße Wachstafel, die der
Mann noch auf alle Weise bilden könne. Ich weiß nicht, ob der
ihrige daran Freude findet. Aber mir ist die Ehe nur dann etwas,
wenn zwei so gleich an Geist und Charakter, daß jeder sich im
Innern des Herzens und wie aus reiner Demut vom andern über-
troffen glaubt, sich gegen Freud und Leid, gegen Glück und Unglück
versuchen.
Ewig, teures, einzig liebes Wesen Dein H.

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*) Rahel Levin-Varnhagen.
**) Wilhelm v. Burgsdorff. Siehe S. 36.
***) Freiherr v. Bielefeld, Legationsrat.

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