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[   Band 3 Brief 39:    Humboldt an Caroline    Berlin, 31. Januar 1809   ]


in die wenigen Linien zu schließen, ist bei Dir vielleicht keinem
möglich.
Es ist die höchste Zeit, zum Essen zu gehen. Ich esse bei
Stosch, Mamas altem Arzt. Denn alles lebt noch. Neulich habe
ich eine sehr hübsche Person, mit der ich oft sehr gern, noch
als ich bei Kunth war, getanzt, als sehr dickes vierzigjähriges
Fräulein wiedergesehen!!
Ewig Dein H.


40. Caroline an Humboldt                    Rom, 1. Februar 1809

Mein teuerstes Herz!
Heute erst, Gott weiß warum, habe ich Deinen Brief vom
1. Januar aus Weimar empfangen. . . . Man muß sich
gedulden. Ach, das ist bei der Entfernung so traurig,
daß es immer nur der Nachklang liebender Töne ist, die bis zu
einem gelangen. Die Leute machen mich bald tot mit Fragen nach
Dir. Alles sehnt Dich zurück. Die Staël hat mir einen recht
liebenswürdigen Brief geschrieben. Sie weiß auch schon von Deiner
Ernennung, sieht uns mit allen Kindern schon aus Italien heraus und
bittet mich inständig, mit Kohlrausch nach Coppet *) zu kommen. Von
Dir sagt sie mir: »je conçois comme Monsieur de Humboldt
regrette l’Italie, mais tous les honnêtes gens se doivent à ce
pauvre pays de Prusse.«
Dein Brief ist vom Jahrestage. Auch ich hatte die aller-
ernstesten Gedanken an jenem Tage hier. Ich bin überzeugt, das
Jahr bringt viel Neues. Es liegt schon etwas wunderbar Starres
und Tiefbedeutendes in der Stellung der Zahlen. Lächle nur,
jedesmal, wenn ich die Jahreszahl schreibe, ist es mir, wie wenn

———
*) Schloß der Frau v. Staël am Genfer See.

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