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[   Band 3 Brief 90:    Humboldt an Caroline    Königsberg, 27. Junius 1809   ]


daß er es sich gar nicht würde denken können, daß unser Haus
nicht mehr in Rom existierte.
Bei Prinz Wilhelm, der sonst niemanden in der Welt bittet,
aß ich neulich. Es tut mir sehr leid, die Prinzessin *), da das Haus
gar keine Besuche annimmt, so selten zu sehen. Sie scheint sehr
interessant und ist manchmal wunderschön, ob ihr gleich zur wirklichen
Schönheit viel abgeht. Sie hat etwas Antikes, aber nicht Griechisches,
dagegen das Große und Edle der Züge und den Mangel an
Freiheit und Vollkommenheit, wie man es zusammen in den alt-
römischen Köpfen findet. Von Gestalt ist sie groß und wohlgebaut.
Ehemals ist sie, wie man mir sagt, zu stark gewesen, jetzt ist sie
eher das Gegenteil.
Die Fürstin von Rudolstadt **) hat mir einen sehr lieben Brief
geschrieben. Sie ist uns sehr gut. Ob wir noch einmal wie ihre
wahren Vasallen die goldene Aue beherrschen werden? Es ist
schrecklich, wie man zurückkommt. Alles jenseit der Oder scheint
mir jetzt schon bezaubernd, und die goldene Aue kommt mir wie
der Vorhof von Italien vor.


91. Humboldt an Caroline           Königsberg, den 29. Junius 1809

Herzlich gern erlaube ich Dir, Dich in Neapel zu etablieren.
Man ist in keinem Lande recht heimisch, in dem man nicht
ein paar Jahreszeiten gesehen hat, und man kann nicht
heimisch genug in den süßen zaubervollen Gegenden sein. Es freut
mich auch ordentlich, daß Du dann mehr gesehen hast als ich. Doch
ist mir nicht bange für mich. Wie es auch komme; ehe ich sterbe,

———
*) Vgl. S. 135.
**) Vgl. S. 43.

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