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[   Band 3 Brief 127:    Caroline an Humboldt     Rom, 4. November 1809   ]


guten Lady Temple vorbereitet haben. Diese letztverflossene Nacht
ist sie, zwei Stunden nach Mitternacht, verschieden. Sie hat
ungefähr zwölf Stunden vorher ihre vollkommene Besinnung
wieder bekommen, und ihr allerletztes Wort ist eine herzliche Emp-
fehlung ihrer Kinder an ihren Mann gewesen. Einige Stunden
vor ihrem Tode hat sie sich meiner und aller Güte erinnert, die
ich für ihre Kinder hätte, und für die der Himmel mich an den
meinigen segnen möge. Zugleich ließ sie mich bitten, sie in unserem
Bezirk am Testaccio aufzunehmen, damit ihr Grab nicht insultiert
würde und damit sie bei guten Kindern läge. Ich gestehe Dir,
daß die Äußerung mich zu sehr gerührt hat, um sie abzulehnen,
und ich hoffe, daß auch Du nichts dagegen haben wirst. Sie
wird also morgen dort beigesetzt werden.
Die Kinder sind von Mittag an bei mir gewesen. Den drei
jüngeren hatte man gesagt, die Mutter wäre ein Engel geworden
und sei ins Paradies gegangen, so daß sie mir mit Freuden er-
zählten, die Mutter habe Flügel bekommen. Grainville war aber
sehr traurig und warf sich mir an den Hals mit Schluchzen, als
er mich sah. Ich weinte auch, denn das Schicksal dieser guten Familie
tut mir sehr leid. Wie lieb Adelheid ist, wie anschmiegend, wie besorgt
und zuvorkommend und beschäftigt um die Templeschen Kinder, ver-
mag ich Dir nicht zu sagen. Es wird Dich wie mich innigst erfreuen.
Jawohl, Teurer, denk ich oft an Dich, wenn ich den Mond
und die Sterne ansehe immer, und es ist mir das Stete, Un-
wandelbare in der ewigen Natur ein rechter Trost in der Unstetig-
keit des wogenden Lebens. »Und die Sonne Homers, siehe, sie
leuchtet auch uns!«
Ich bin heute eilig und konfus, weil die Kinder alle sieben, vier
Templesche und unsere drei, um mich sind. Ach Geliebter, Adieu.

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