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[   Band 3 Brief 179:    Humboldt an Caroline    Berlin, 7. April 1810   ]


179. Humboldt an Caroline               Berlin, 7. April 1810

Ich fange an, ein bißchen mehr in Ordnung zu kommen,
liebe Li, und unsere neue Wohnung gefällt mir recht gut.
Hedemann wohnt jetzt in Deinen Stuben, weil die ihm
bestimmten noch geweißt und zurechtgemacht werden. Ihn im
Hause zu haben, macht mich sehr froh. Wir frühstücken zusammen,
sehen uns die Abende, reiten zusammen spazieren und gehen nicht
leicht aus, ohne voneinander Abschied zu nehmen. Das Abschied-
nehmen ist meine Passion, wie Du weißt, Du kannst Dich also
immer ein bißchen mokieren, liebe Seele.
Es ist einer der reinsten, edelsten, nach allen Höhen ohne Affek-
tation strebendsten Menschen, die mir je vorgekommen sind. Wie
er an mir hängt, davon kannst Du Dir keinen Begriff machen. Der
kleine Tatar, den ich von ihm gekauft habe, hat die Unart, wenn
man sich aufgesetzt hat, immer einige Sprünge zu machen. Ich
habe ihn schon geritten, wenn er auch länger gestanden hat, und
mache mir nichts daraus. Aber wenn Hedemann mir irgend
abmerken kann, daß ich reiten will, so reitet er ihn vorher, damit
mir gewiß nichts begegnet, und so in allen Stücken. Er wird Dir
sehr gefallen und freut sich unglaublich auf Dein Herkommen.
Mir ist es sehr angenehm, einen Menschen hier zu haben, den
ich wahrhaft liebe, und der mir ebenso gut ist. Es ist sonst immer
kalt und öde um einen.
Ich habe diese Tage fürchterlich zu tun gehabt. Aber es ging
nicht anders, und ich konnte es nicht hindern. Der König und die
Königin beweisen mir wirklich ein sehr großes Zutrauen, und Du
weißt, daß es einmal meine Art ist, wenn ich etwas übernehme,
zu machen, daß man auf mich rechnen kann. Aber ungeachtet
dieses Zutrauens ist auch meine individuelle äußere Lage sehr
prekär, ich rede nicht mehr davon, weil das Reden über’s Un-

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