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[   Band 4 Brief 22:    Humboldt an Caroline    Opotschna, 22. Junius 1813   ]


gleichfalls und wie Du ihn kennst. Die Zukunft scheint mir un-
glaublich dunkel und ungewiß. Aber ich will nicht in diesem
Briefe in widrige Dinge eingehen und breche also davon ab.
Liebe, teure Li, man ist in diesem Leben keines Augenblicks
sicher. Ich habe müssen eine Unterredung mit Nesselrode haben
und muß nun allein wieder zur Herzogin fahren. Gentz bleibt
hier. Ich muß schließen. Es ist fatal über die Beschreibung, daß
ich noch nichts von Theodor weiß. . . .
Ewig Dein. Warum kann ich heute nicht bei Euch sein?


23. Humboldt an Caroline           Ratiborschitz, 25. Junius 1813

Ich habe noch immer nur, teure Li, die beiden ersten Briefe,
die Du mir gleich nach meiner Abreise geschrieben hast.
Ich höre indes durch Metternich, daß die Decke in meiner
Stube eingefallen ist, Dienstag zwischen 2 und 3 Uhr, und mich
unfehlbar erschlagen hätte. Wirklich ein sonderbares Ereignis.
Metternich beschäftigt sich außerordentlich mit der Sache und leitet
sie von der Hitze her, die in meiner Stube war; die Decke, schreibt
er noch heute Gentzen, hat sich während des Winters ausgedehnt
und in der Kälte während meiner Abwesenheit plötzlich zusammen-
gezogen und so ist sie gebrochen.
Er ist, unter uns gesagt, nach Dresden *) gegangen, und bei
seiner Zurückkunft soll die Unterhandlung in Gitschin angehen. Ich
fürchte mich recht eigentlich vor dieser; indes gehe ich gut gewaffnet
und gestählt hin und denke, daß es Dinge im Leben gibt, die man
bestehen muß, und daß es für die meisten Menschen einen Moment
gibt, in dem das Leben auch im Handeln ernsthaft wird. Die

———
*) Zur Unterredung mit Napoleon.

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