< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 4 Brief 51:    Humboldt an Caroline    Prag, 17. August 1813   ]


ihrem Leben recht einfach Freude oder Schmerz gefühlt, wenn sie
einmal gehörig den Himmel angesehen hätten und dann in sich
zurückgekehrt wären, so wären sie all diese Erbärmlichkeiten auf
ewig los.
Der Schluß Deines Briefes vom 9. hat mich durch seine
einfache Wahrheit und Größe sehr gerührt. Gewiß drängt das
Schicksal, trotz Schmerzen und Freuden des Augenblicks, alles in
die Vergangenheit zurück und macht dadurch die Zeit zur mächtigsten
Herrscherin über die Menschen. Es liegt in diesem Gefühl zu-
gleich etwas Niederschlagendes, daß dasjenige, was uns am
nächsten trifft, die Gegenwart, ihre Geltung verliert, und etwas
Erhebendes, daß der ewige Wechsel, in dem alles fortfließt, zur
Verherrlichung eines großen, allumfassenden Daseins dient, und
wie das Gemüt gestimmt ist, das eine oder andere tiefer in sich
aufzunehmen, wirkt dies darauf ein. Ebenso wahr ist, was Du
vom Schmerz sagst. Er wird nur schön und wohltätig, wenn
man sich ihm ganz und willig hingibt. Aber unendlich wenige
haben dies tiefe und heilige Gefühl, wenige kennen Entsagung und
Ergebung in Schicksal und Menschen und führen lieber ein
zerrissenes Leben in ewig innerem Eigensinn und Widerstreben.
Wo mir das selbst in denen, die mir sonst am liebsten sind, auf-
stößt, lasse ich es gleich gehen und fahren; denn nichts ist widriger
zu bekämpfen, und es ist viel leichter, seinen eignen Weg still ent-
behrend fortzusetzen.
Lolos *) Söhne nehmen keinen Teil an den Begebenheiten bis
jetzt. Einer lernt still die Jägerei, der andere, glaub ich, studiert.
Auch der junge Goethe ist untätig auf dem Lande.
Vom Kriege wissen wir nur bis jetzt, daß Napoleon soll am
14. nach Bautzen gegangen sein, um von da auf Kottbus zu
marschieren, so daß er auf den Kronprinzen zuerst loszugehen scheint.

———
*) Vgl. S. 91.

                                                                       102