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[   Band 4 Brief 139:    Humboldt an Caroline    Chatillon, 12. März 1814   ]


immer wieder die alte Leier zum Vorschein, so lange nur noch die
Saiten mit einem Stücke zusammenhängen. . . .
Für die Bourbons ist nicht die mindeste Bewegung im Volke,
ich glaube, daß sie nicht einmal eine starke Partei haben, wenigstens
keine, die tätig mitwirken würde. Monsieur ist in Vesoul. Den
ersten Tag hat das Volk gerufen: »Vive Monsieur et la paix!«
aber schon am zweiten, so unglaublich es scheint: »Vive Monsieur
et Napoléon!« Monsieur haben sie nur, wie es scheint, aus Höf-
lichkeit, und weil er Almosen ausgeteilt, erwähnt. Überhaupt ist
es ein reiner Irrtum, daß das Volk gleichsam mit den Alliierten
gegen Napoleon aufstehen würde.
Ich habe immer vergessen, Dir zu sagen, daß der König sich
im Gefecht bei Bar sur Aube am 27. ungeheuer und mehr als je
ausgesetzt hat. Er war mit dem kleinen Prinzen Wilhelm, seinem
zweiten Sohn, immer so dicht bei einer Batterie, daß ihn die
gemeinen österreichischen Soldaten gebeten haben, wegzureiten. Es
hat aber auch viel zum braven Schlagen der Truppen beigetragen
und ihm viel Liebe aufs neue bei den Österreichern gemacht, denn
es war kein Mann seiner eigenen Truppen im Gefecht. Auch nach
demselben blieb er einige Tage ganz allein bei Schwarzenberg.
Burgsdorffs *) Klage, daß ich nicht eigenmächtig genug handele,
wird gewiß im stillen von vielen wiederholt und kommt mir auch
selbst nicht selten zu. Ich bin ein heller Punkt für alle Unzufriedene,
und deren gibt es, und was vorzüglich das Innere betrifft, mit
Recht sehr viele. Teils haben sie wirklich Vertrauen zu mir, teils
stehe ich den Plätzen, wo der höchste Einfluß ist, so nahe, daß
die Augen natürlich auf mich fallen. In dieser Rücksicht ist
meine Lage jetzt allerdings schwierig. Meine wirkliche offizielle
Stellung gibt mir nicht den mindesten Einfluß, fast auf nichts.
Ein Gesandter ist das abhängigste Geschöpf unter der Sonne, und

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*) Vgl. S. 188.

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