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[   Band 4 Brief 151:    Humboldt an Caroline    Dijon, 3. April 1814   ]


bei ihr gewinnen, überhaupt liegt es nie an den Frauen, wenn sie
die Männer verderben, sondern immer nur an diesen, daß sie jene
nicht in ihrer eigentlichen Gestalt erkennen und fühlen. Die Frauen
können die äußere Freiheit hemmen, Fesseln anlegen, die Richtung
der Kraft einengen, und die besten und geistvollsten Männer können
sich das, und gar nicht mit Unrecht, gefallen lassen. Aber die,
welche es mit Bewußtsein tun, gewinnen dadurch nur an Kraft
und an Geist, an Selbstbeherrschung und an Milde, und es wäre
der Welt und den Männern sehr nützlich, wenn es nur viel solcher
Verhältnisse gäbe.
Ein Kapitel in Constants Buch über den Kronprinzen von
Schweden würde man leicht entbehren, und man kann sich kaum
des Gedankens erwehren, daß das ganze Buch darum geschrieben ist.
Lebe herzlich wohl, teure Li. Ewig Dein H.


152. Humboldt an Caroline                 Dijon, 4. April 1814

Endlich, liebe Li, ist die Vergeltung erschienen, die ver-
bündeten Armeen sind am 31. März, der Kaiser von
Russland und der König an der Spitze ihrer Garden in
Paris eingerückt; und es ist eine Erklärung erschienen, daß die
verbündeten Mächte weder mit Napoleon, noch mit einem von
seiner Dynastie Frieden schließen wollen.
Am 30. war noch ein hitziges Gefecht oder vielmehr eine
wahre Schlacht dicht am Montmartre. Joseph *) war mit der Pariser
Nationalgarde, den Marschällen Mortier und Marmont und was
er sonst hatte an sich ziehen können, ausgerückt, man schlug ihn voll-

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*) Joseph Bonaparte, geb. 1768, † 1844, ältester Bruder Napoleons I.

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