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[   Band 4 Brief 154:    Caroline an Humboldt     Wien, 10. April 1814   ]


Ich habe täglich mit Koreff einen Teil Deiner Pindarischen
Übersetzungen und den Agamemnon gelesen, und er hat sich un-
beschreiblich daran erfreut und war oft bis aufs tiefste ergriffen
und gerührt.
Von Theodor sehne ich mich natürlich mehr wie je Nachricht
zu haben, denn der Bestimmung des Regiments nach muß
er bei den letzten Affären gewesen sein. Ich finde auch die
Reserven der russischen und preußischen Garden in mehreren
Berichten erwähnt.
Die arme Schlegel ist fortwährend ohne Nachricht von ihrem
Sohne *). Sie ist sehr gefaßt und in wirklich schönem und reinem
Sinn ergeben, aber tief dabei im Herzen bewegt.
Oh, in allem, in Freud und Schmerz, deutet uns ja
das innere Gefühl die Verbindung des Irdischen mit dem
Ewigen an, denn sowie etwas uns recht eigen und tief bewegt,
so reicht man ja mit dem, was zu dieser Welt gehört, gar nicht
mehr aus.
Für Dein Sonett danke ich Dir ganz außerordentlich. Es ist
sehr schön, und ich erkenne ganz Deine Liebe und Dein tiefes
Gemüt zu mir darin. Oh, meine liebe Seele, bestechen kann mich
nie auch das süßeste, und immer weiß ich, daß ich’s nicht ver-
diene. Allein süß und wohl das Allersüßeste ist es überhaupt, alle
Liebe als reines Geschenk zu empfangen. Wer hat je Liebe
verdient!
Unbeschreiblich freuen wird es mich, wenn ich nach allen den
Gefechten, die nun noch bis unter die Mauern von Paris statt-
gefunden haben, höre, daß die, die mich besonders interessieren, am
Leben sind. Obgleich — ich oft mich frage, ob die, die ausgelitten
haben, nicht glücklicher sind. Nur, daß sie Schmerzen zurücklassen

———
*) Philipp Veit, geb. 1793, † 1877, Maler, Sohn der Dorothea v. Schlegel
aus erster Ehe.

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