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[   Band 4 Brief 190:    Humboldt an Caroline    Wien, 14. August 1814   ]


kommen und habe mir schon ein Gewissen daraus gemacht, daß ich
drei Tage später kam. Von den Übrigen aber ist alles rein aus-
geblieben, die schönste Zeit geht verloren, und es wird hernach wieder
vieles übereilt werden müssen. Ich hätte so ruhig und schön bei
Dir sein können und muß mich nun mit Leuten herumtreiben, die
mir gleichgültig, zum Teil widrig sind, und von denen mir kein
einziger fast nur das mindeste Interesse einflößt. Freilich kann [sich]
das mit jedem Tag ändern, allein bis jetzt hat es den Anschein
nicht. Die gewöhnlichen Gesandtengeschäfte leiden unter ähnlichen
Schwierigkeiten. Metternich ist in Baden und dort so entfernt von
Geschäften, lebt so in den Gesellschaften, die Du Dir denken kannst,
daß es fast unmöglich ist, zu einem ordentlichen Gespräch zu kommen.
Gegen mich ist er gut und freundlich, hat mich gern in Gesellschaften,
wiederholt, was ich hier und da sage, aber für Geschäfte nährt er
die alten Vorurteile und nennt mich, wie ich recht gut weiß, zu
pedantisch. Was diese Beschuldigung bedeutet, wirst Du, ohne
meine Erklärung, begreifen.
Die Gesellschaft ist nichtiger, leerer und einförmiger als je.
Der ewige Zwist der beiden nordischen Damen *), bei deren einer
sich drei Prätendenten in das Reich teilen, und der nicht zu ent-
wirrende Klatsch, der damit zusammenhängt, ist der große und
würdige Gegenstand, um den sich alle Gedanken und Unterredungen
herumdrehen. Ich mische mich auf keine Weise hinein, lebe zwar,
meinen alten Gewohnheiten nach, und weil es bequemer ist, mehr
mit der einen, vernachlässige aber die andere nicht und bin daher
nur der ennui leidende Teil. Gentz hat nicht dieselbe Weisheit
gehabt. Er hat sich weit auf das stürmische Meer begeben und
sich nicht ganz, aber doch ziemlich stark, von der einen getrennt.
Unter allen diesen Umständen glaubst Du nicht, wie sehr es mich
freut, daß ich nur noch kurz in diesen Verhältnissen bleibe. Paris

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*) Herzogin von Sagan und Fürstin Bagration.

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