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[   Band 4 Brief 219:    Caroline an Humboldt     Berlin,  10. Dezember 1814   ]


219. Caroline an Humboldt          Berlin,  10. Dezember 1814

Liebe, teure Seele!
Gestern abend empfing ich Deinen lieben Brief. . . .
Ja, wohl ist es sehr traurig, daß so wenig geschieht.
Ich versichere Dir aber heilig, daß, wenn ich damals in
Bern geahndet hätte, daß es so lange mit Dir in Wien dauern würde,
ich doch, trotz aller Feten, hingegangen wäre, um Dich, mein liebes Herz,
nicht so allein zu lassen. Das Beste, was ich in Hinsicht unsrer häus-
lichen Verhältnisse über den hiesigen Aufenthalt zu sagen weiß, ist,
daß es für Theodor nicht unwichtig ist, daß er sich hier nicht ganz
selbst überlassen ist. Einen Anhalt muß man ihm durchaus aus-
mitteln, sonst riskieren wir bei unserer wahrscheinlichen Abreise im
Frühjahr sehr viel, das verhehle ich Dir nicht. . . .
Heute mittag bin ich bei Prinzeß Ferdinand!! und abend
bei Prinzeß Charlotte!! Ob ich morgen noch lebe, wirst Du Dienstag
erfahren.
Die alte Voß ist jetzt so komplett taub, daß kein Schreien
hilft, um mit ihr ins reine zu kommen. Dazu sitzt sie in purpur-
rotem Samt auf dem Sofa, mit dem Bilde des Königs und der
Königin en medaillon, dem Katharinen- und dem Luisenorden.
Gestern abend war Blücher en personne mit der Gattin
hier, ich war aber mit der jungen Voß zu notwendigen Staats-
visiten.
Meine herzlichen Grüße an Hedemann. Sage mir doch ge-
legentlich, wer in unserm Quartier wohnt auf dem Minoritenplatz?
Man kann sich’s nicht nehmen, zu denken, daß an den Wänden
eines Zimmers etwas hängen bleibt von dem, was einem den
Sinn erfüllt hat, und ich habe mich in dem gelben Salon oft sehr
gefreut und oft sehr geänstigt im Herbst und Winter und Früh-
jahr 1813 und 14.

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