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[   Band 4 Brief 260:    Caroline an Humboldt     Berlin, 28. März 1815   ]


260. Caroline an Humboldt                Berlin, 28. März 1815

Gestern abend, mein geliebtes Herz, bekamen wir die Nach-
richt von dem noch am 20. wahrscheinlich vorgefallenen
Einzug Napoleons in Paris.
Ich kann Dir nicht genug sagen, wie es mich im Inneren
getroffen hat. Nicht sowohl das Faktum, als die Nichtswürdigkeit
einer zertretenen Nation, die ihren Dränger, ihren Tyrannen, ihren
ungesetzmäßigen Unterdrücker ohne Kampf, beinah ohne Schwertstreich
wieder einführt. Die Verworfenheit, die dazu gehört, brennt mir
in der Brust wie ein Feuer.
Für uns sehe ich den Krieg als entschieden an, er wird blutig
werden, ach Gott, man kann nicht genug wünschen, beten und
flehen, daß jetzt große, sehr ernste, sehr konsequente Maß-
regeln genommen werden. Ist man Österreichs ganz sicher? Bayerns?
Die deutschen Völker sind gut, aber mit Recht sind sie unzufrieden
mit vielem, was seit dem Frieden von Paris geschehen ist. Dieser
Krieg trägt einen ganz anderen Charakter als der vorige. Im
vorigen war trotz seiner herrlichen Waffentaten ein Fehler, sein
Zuschnitt war nicht gemacht, wie er es hätte sein sollen. Gott gebe,
daß man sich diesmal sage, daß mit Napoleon kein Frieden, keine
Unterhandlung, kein Waffenstillstand ist. Doch verzeih, daß ich Dir
dies alles sage, der Du es tausendmal besser als ich weißt und
fühlst.
Vernichtet bin ich in meinem Innern von der Schlechtigkeit
jetzt, jetzt in diesem Augenblick von der Einsetzung des Königs von
Sachsen zu reden. Wenn Österreich darauf dringt, ich meine
Metternich, so scheint es mir bestimmt, hat er verräterische Ab-
sichten. So bin ich, wie Du weißt, längst in meinem Innern über-
zeugt, daß Eugen Beauharnais und Murat Verräter sind. Gott
wird sie strafen, ich zweifle nicht, daß Deutschland siegreich hervor-

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