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[   Band 5 Brief 33:    Caroline an Humboldt     Berlin, 18. September 1815   ]


kann ich hie und da einen guten Wink geben. Es ist hier ein
entsetzliches Geschnatter und Gerede an der Tagesordnung! und
besonders glaube ich, tragen die Juden viel dazu bei. Da die
öffentlichen Dinge sich in die Angelegenheiten des Interesses sehr
verflechten, so öffnet das diesem Zirkel von Menschen ein ganz
besonderes Feld der schwatzenden Tätigkeit. Nächstdem ist der
Zirkel des Hannövrischen Gesandten und sein Haus eins, wo am
meisten politisiert wird, und Ompteda scheint wohl der Meinung zu
sein, daß er seine Hannövrische Ministerpflicht am gewissenhaftesten
erfüllt, wenn er Preußens Prätensionen exageriere. Ein Nachhall
aus jenem Zirkel kommt mir zuweilen durch den Geheimen Me-
dizinalrat par excellence *) zu. Dieser nimmt nur die Sache wieder
anders und schimpft nur blindlings auf die sogenannten Jakobiner.
Er beehrt viele mit diesem Namen, unter anderen auch Gneisenau.
Allerdings spricht man auch viel von den Briefen dieses, und man
muß sich wundern, wie er namentlich so vielen Damen schreibt.
Wegen meiner Reise liegen die Dinge, wie ich sie Dir aus-
einandergesetzt habe. Ich kann mich nicht überwinden, Carolinen
mit August und Adelheid zu lassen, da August Bedenklichkeiten
äußert, die meiner Natur fremd sind, die aber etwas werden, wenn
man etwas daraus macht. Ich lege Dir Augusts Brief an mich
bei. Ich könnte nicht ruhig sein, wenn ich Carolinen nicht ebenso
liebevoll getragen wüßte, als sie das jetzt von mir wird, ich muß
also wohl bleiben. Mich schmerzt es unendlich, nicht bei Dir zu sein,
ich hatte nie eine tiefere Sehnsucht darnach. Gabriellen hätte die
Veränderung nicht geschadet, im Gegenteil, und was die etwaige
Gefahr betrifft, so wäre es mir süß gewesen, sie mit Dir zu teilen.
Ich muß schließen. Ewig Dein.

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*) Kohlrausch. Vgl. Bd. II, S. 114f.

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