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[   Band 5 Brief 55:    Caroline an Humboldt     Berlin, 13. November 1815   ]


Die Gegend bleibt immer häßlich, wo sie wohnen, und weit von
mir und sehr weit vom Schloß für August. Die Equipage ist in
Bewegung gekommen seit dein zweiten Tag, wo sie die Pferdchen
hatten.
Die Adel saß mit mir auf dem Sofa, machte den Tee, schellte,
kommandierte, schickte August und Gabriellen hierhin und dorthin.
Das Kommandieren versteht Adel überhaupt viel besser als ich.
August findet alles admirabel, was sie tut.
Zinsen aus Polen sind gekommen, sagt mir Kunth *). Wenn
wir nur die Goldstangen aus Brasilien aufheben könnten! Künf-
tige Chroniken würden davon schreiben. In einer alten Scharteke
habe ich gefunden, daß einer Deiner Vorfahren in Frankreich Le-
gationsrat gewesen ist! Ein anderer ist im Krieg gegen die Tal-
patschen geblieben!!
Durch eine Konnexion weiß ich, daß Wessenberg **), der, ich glaube,
nach Frankreich österreichischerseits geht, immer in beständiger Kor-
respondenz mit einem französischen Exilierten, Dürbach war, der sich
den Sommer und Herbst über in Teplitz aufgehalten hat. Es sollen
doch noch immer Negoziationen über die Regentschaft der Marie
Louise ***) und den kleinen Popanz, den Napoleon II., im Schwange
sein und von Eugen Beauharnais die Rede als Vertreter des Kleinen.
Allein der Dürbach hat gemeint, um Österreich für diesen Plan
zu gewinnen, könne man auch den Erzherzog Karl †) als Vormund
des Kleinen sich gefallen lassen. Wie weit nun Wessenberg in

———
*) Gottlob Johann Christian Kunth, geb. 1757, † 1829, Erzieher der
Brüder Humboldt.
**) Johann Philipp Freiherr v. Wessenberg-Ampringen, geb. 1773
† 1858, österreichischer Staatsmann. Siehe Bd. IV, S. 290 f.
***) Marie Louise, Tochter des Kaisers Franz, geb. 1794, † 1847, 1810
mit Napoleon vermählt.
†) Karl Erzherzog von Österreich, geb. 1771, † 1847, jüngster Bruder
des Kaisers Franz, berühmter Feldherr.

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