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[   Band 5 Brief 64:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 15. Dezember 1815   ]


des nie endenden Klatsches und des ewig nichtigen Phrasen-
machens.
Was Du mir über Deine Gesundheit sagst, hat mich zugleich
sehr erschreckt und gefreut. Wie nah man, ohne es zu ahnden,
an einem Abgrund steht! Du hattest mir nicht von dem lang-
dauernden Herzkrampf und der Bewußtlosigkeit geschrieben. Solche
Anfälle sind doch äußerst beängstigend. Verhehle sie mir aber ja
ein andermal nicht. Doch hoffe ich, soll es wirklich die Krise ge-
wesen sein. Da Koreff und Wolfart nun zusammen für Dich sorgen
können, so hoffe ich, soll der Winter Dich wirklich in Deiner Wieder-
herstellung viel weiter bringen und sie sogar ganz vollenden. Von
der magnetischen Kur kann man solche Hoffnungen schöpfen, denn
sie ist durchaus wundervoll und unbegreiflich, und wenn sie auf
irgend jemand wohltätig wirkt, so ist es gewiß auf Dich, die Du ge-
rade so gebaut und geartet bist, daß Du gewiß eher als irgend
jemand mit den geheimsten Kräften der Natur in der engsten Be-
rührung stehst. Du wirst darüber lachen, aber wenn ich nicht bei
Dir bin, süße Caroline, denke ich noch viel mehr an und über Dich,
als wenn wir zusammen sind, und da weiß ich, daß Du am meisten,
und nur eine Frau kann es überhaupt recht, auf dem Punkt stehst,
wo das Ideale und Wirkliche, das Geistige und Körperliche ein-
ander unbegreiflicherweise berühren, und daß Du am meisten in der
Verbindung jedem sein Recht lässest.
Ich könnte das viel weitläuftiger ausführen und beweisen, aber
das holde Kind würde mich auslachen, und so bewahre ich meine
Ideen, die aber keine Grillen sind, lieber bei mir. Mir müssen sie
lieb sein, da sie mich immer wieder dahin führen, aufs neue zu
empfinden, wie ein einziges Glück es war, Dich zu finden und Dich
zu besitzen. . . . .

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