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[   Band 5 Brief 85:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 29. Februar 1816   ]


recht für die, die ihnen doch nie eine wahre, selbständige, aus
Grundsätzen geschöpfte Tiefe einräumen. Sogar in der Frau selbst
ist ein sonderbares Gemisch von Größe und Gewöhnlichkeit.
Kunths Durchschnitt ist himmlisch, 1 4/11 vom Hundert! Allein
glaube mir, viel mehr Pacht kann Tegel nicht tragen. Mit
meinem Bruder Holwede habe ich das ja ganz genau ausgerechnet,
und er verstand es sehr wohl. Laß auch den Pächter 150 Taler
mehr geben, das ist schon sehr viel und macht doch nichts. Aber
man muß es immer behalten, nur nie auf Einkünfte zählen. Ich
habe einmal eine große Liebe zu gewissen Orten. Tegel und
Burgörner verkaufte ich nie.
Laß Hermann, wenn es Zeit ist, ja Musikunterricht geben.
Es bleibt ein ewiger Mangel in einem Menschen, wenn er, was
die Musik wirkt, nur mühsam und unvollständig auf anderen
Wegen erlangen muß.
Lebe wohl, mein innig und einziggeliebtes Wesen. Heute bin
ich drei Monate hier; werden wir in drei Monaten zusammen sein?
Man sollte es denken. Aber ich traue dem Glück gar nicht.
Ewig Dein H.


86. Caroline an Humboldt                    Berlin, 2. März 1816

Ich habe, meine süße Seele, gestern abend deinen Brief
vom 23. Februar bekommen. Ich danke Dir innigst
für alles Liebe, was Du mir zu meinem Geburtstage
sagst. Mein Geschenk will ich mir schon holen. So wie man
das Datum eines anderen Monats schreibt, rückt man in der Zeit
gewaltiglich vor.
Eben war Bombelles *) bei uns und brachte uns Briefe von

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*) Ludwig Graf v. Bombelles, geb. 1783, † 1843, österreichischer Di-
plomat, 1816 Gesandter in Dresden, vermählt mit Ida, Tochter des däni-

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