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[   Band 5 Brief 103:    Caroline an Humboldt     Berlin, 19. April  1816   ]


103. Caroline an Humboldt                   Berlin, 19. April  1816

Ich habe noch einiges in Deinen früheren Briefen zu beant-
worten. Meine Tirade über die Juden, geliebtes Leben,
über die Du Dich so süß mokierst, ist wohl nicht an
ihrem Platze, allein Unrecht hat man, zu sagen, daß sie keine Güter
besäßen. In allen Provinzen besitzen sie deren, und der Herr von
Itzenplitz muß sehr ununterrichtet sein, der Dir gesagt hat, bis jetzt
sei ein einziger Grundeigentümer. Die Masse des Vermögens ist
in ihren Händen, und es ist eine der Ursachen, warum der sehr
drückende Indult aufrechterhalten wird, um einigermaßen zu ver-
hüten, daß nicht noch viel mehr Güter in ihre Hände kommen,
weil bei der Aufhebung desselben allerdings viele Güter werden
müssen veräußert werden. Was Berlin betrifft, so haben sie ein
Drittel der Häuser, und zwar der besten, im Besitz. Ich kann mich
übrigens gar nicht schriftlich so über sie auslassen, wir werden ja
bald mündlich zusammen sprechen.
Du redest von Deinem Indifferentismus. Süßes Herz, das
ist ja zu komisch, daß wir gerade zusammen gehören, da mir
so gar nichts indifferent ist, daß ich noch über alles in Feuer
und Flamme komme. Es nimmt sogar ordentlich zu. Ich
erinnere mich recht gut, wie ich als Mädchen und in den ersten
zehn Jahren unserer Verbindung viel apathischer über alles war.
Wenn es so fortgeht mit mir, so ist mir selbst bange — —
basta.
Türk gefällt mir mehr und mehr jetzt, wo ich ihn ruhig sehe
(er wohnt bei mir) und auch Hermann gewöhnt sich in diesen Tagen
an ihn. Doch ist mein Herz sehr wund.
Der Staatskanzler ist noch in Glienecke und war sehr unwohl
an Halsentzündung. Der König ist in Potsdam, das macht ihn
auch dort bleiben.

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