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[   Band 5 Brief 105:    Caroline an Humboldt     Berlin, 6. Mai 1816   ]


setzen, was auch so die Gut-, die Einfachgesinnten sich denken, wie
sie doch alle, bei dem herzlichen Wunsch, Dich hier in Tätigkeit
zu sehen, denken und meinen, Du wollest zu hoch hinaus. Aber
nicht nur gutgesinnte Geschäftsleute allein, auch die nächsten Um-
gebungen des Königs sind in dieser Meinung und Ansicht. Ich
habe es oft an einzelnen Worten der Prinzeß Luise gemerkt, und
Schilden *) hat es letzthin an Rauch deutlich und mit klaren Worten
gesagt (der König läßt sich so in den langen Tagen in Charlottenburg
wohl so über diesen und jenen aus), daß Dir der Sinn so hoch stünde,
daß ein Ministerium im Innern Dir deshalb nicht anstünde. Der
Staatskanzler ist wohl freier von dieser Ansicht über dich, weil er
überhaupt die Menschen wohl tiefer ergreift und beurteilt, doch tut
man gewiß das Mögliche, um Menschen wie Du bist von ihm zu
entfernen.
Jordan spielt bei des Kanzlers Kränklichkeit und der Last seiner
Geschäfte ganz vorzüglich den Minister der auswärtigen Geschäfte,
der Staatskanzler selbst hat die Manie, seine zunehmende Gesundheits-
schwäche nicht einzugestehen, und so wie die Dinge organisiert sind,
so bin ich überzeugt, würde er, wenn er Dich neben sich stellte, Dich
wie einen Koadjutor betrachten, denn man würde Dich ihm so be-
zeichnen.
Mit des Kanzlers Gesundheit ging es übrigens diesmal wirklich
schlecht, ich weiß es durch Koreff genau, der in keiner geringen
Sorge um ihn war. Sein Körper ist sehr baufällig, das ist nicht
zu leugnen, und Koreff sieht ihn nicht ohne große Besorgnis nach
Karlsbad gehen, welches immer ein ungemein angreifendes und
heroisches Mittel ist. Vor acht Tagen war es noch nicht entschieden,
daß Koreff mitgehen sollte, und des Staatskanzlers Frau sagte mit
einem tiefen Seufzer: »Ach, Jordan will ihn da allein haben.«

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*) August v. Schilden, † 1851, Kammerherr und Oberhofmeister »im
Hofstaat Ihrer Majestät der höchstseligen Königin Luise«.

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