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[   Band 5 Brief 120:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 14. Junius 1816   ]


Gib die Gedichte dem Fürsten, er liebte das Lied auf
den Einzug in Böhmen. Schenkendorf ist ein eigener Mensch.
Stellte man ihn nach seiner Lust an, so würde er gewiß recht
viel leisten, ohne das vielleicht nicht. Er läßt sich nicht ganz
wie ein anderer Geschäftsmann behandeln. Ich billige das gerade
nicht und gebe gewiß nicht das Beispiel davon, da der trockenste
und hölzernste Kriegsrat in seinem Geschäftskreis nicht regelmäßiger
und geduldiger sein kann, als ich es bin. Ich beschütze also gewiß
nicht eine Art genialischen Wesens. So aber hat es Schenkendorf
auch nicht, und wenn man Menschen von Geist brauchen will,
muß man sie auch nehmen, wie sie sind, und kann sie nicht kneten
und drechseln wollen.
Die Cüstine denkt am 17. oder 18. von hier abzureisen, und
Du siehst sie also gewiß noch. Gefallen wird sie Dir, viel mehr
kann es nicht sein. Es bleibt einem immer ein sehr fremdes Wesen,
eine Person einer fremden, und noch weit mehr dieser Nation.
Es bleibt immer etwas ganz anderes und einziges, wenn man
sagen kann, wie in dem Gedichte, von dem ich sprach, von der
Kaiserin gesagt ist: 

                     »Die deutschen Klänge drangen
                     Allmächtig an ihr Herz,
                     Die deutschen Lieder fangen
                     Ihr eigen Lust und Schmerz.«

Das Deutschlernen hilft dabei nichts oder unendlich wenig. Man
muß mit dem Deutschen geboren sein, und nur wenn man das ist,
besitzt man auch die Fähigkeit, wieder alles Fremde wie eigenes zu
fassen, wenn man es auch nur erlernt. Man mag sagen was
man will, so ist die deutsche Sprache der einzige Schlüssel der
Menschheit.

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