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[   Band 5 Brief 161:    Caroline an Humboldt     Rom, 22. Junius 1817   ]


mein süßes Leben. Ach, während Du in jener traurig märkischen
Gegend nicht einmal freundlichen Himmel genossest, kamen wir in
Rom an. Welch ein Unterschied! Wohl sind die Sterne ein
Trost, die ewigen, unwandelbaren, die über einem stehen und das
irre Getriebe hier unten gleichsam mitleidig betrachten. Ich ver-
säume keinen Abend, die Sonne untergehen zu sehen, und stehe
oft stundenlang allein am Fenster in Gedanken und Betrachtungen
der Vergangenheit und des sternenvollen Himmels versunken in
einsamer Nacht.
Ach, ich habe hier einen Brief Kunths an Wilhelm vom
2. August 1803 gefunden, recht hübsch und einem Kinde ange-
messen geschrieben. Er starb schon den 15., so bekam er ihn nicht
mehr, obgleich er den 2. noch in Fülle schöner, heiliger Jugend
blühte. Dies Haus ist noch voll, voll von tausend Angedenken
der Kinder und der Vergangenheit und auch darum bin ich un-
gemein glücklich, wieder hier zu wohnen.
Gabriellen lasse ich malen, ich hoffe, es wird ein sehr hübsches
Bildchen werden. Du kannst denken, daß Schadow *) sich eine
große Mühe gibt.  


162. Humboldt an Caroline                Berlin, 23. Junius 1817

Ich komme eben aus Don Carlos, liebe Li, den ich mit
großem Vergnügen gesehen habe. Außer dem Ver-
gnügen am Stück ist es ein Zurückgehen in die frühere
Jugend. Ich las ihn mehrmals stellenweis mit Dir und das erste
Mal mit der Forster **) in Mainz. Es ist jetzt niemand mehr, der

———
*) Vgl. S. 115. 
**) Therese Heyne, geb. 1764, † 1829, Tochter des Philologen, verm.
1785 mit Georg Forster, 1794 mit Ludw. Ferdin. Huber, Schriftstellerin.
Vgl. Bd. I, S. XIX.

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