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[   Band 6 Brief 48:    Caroline an Humboldt     Rom, 10. Februar 1818   ]


man von einem so scharfen gefällten Urteil gegen Thile *), daß es
mir zu scharf vorkommt.
Du hast mir viel Gedanken erregt mit dem, was Du über
Dein inneres Gefühl in Hinsicht des Dienens sagst, ich verstehe
Dich ganz und sehe auch in meinem Kreise, wie wahr Du urteilst,
und welch ein wunderbares Getriebe in die Menschen gefahren ist.
Ein einzelner gibt nur zu oft ein Bild des Ganzen. Die Welt
ist aus ihren Angeln gerückt. Wir selbst, wenn unser Ziel nicht
sehr nah ist, werden noch wunderbare Dinge sehen, aber was steht
den Kindern bevor!
Also Koreff hat Dir auch geschrieben? Die Äußerung über
die Verhältnisse, wegen dessen sein Mäzen die Winterreise gemacht,
ist sehr merkwürdig. Ich finde es aber leichtsinnig und unrecht,
daß er so in alle vier Weltteile darüber schreibt. Unnütz und
unvorsichtig für sich und für den, den er verehrt, für das
Ganze.
Es werden viel zu viel Briefe geschrieben, und die Welt ist
unter anderem an zu viel Kommunikation krank.
Verzeih mir heut den sehr dummen, sehr uninteressanten Brief.
Wer schreibt wie Du? Was habe ich letzthin über die Eleganz
Deiner Frisur in London lachen müssen. Caroline hat oft frappante
Ähnlichkeit im Witz mit Dir.
Flemmings Brief hat mich ungemein amüsiert, ich will ihm
gewiß ehestens schreiben, damit er auch an meinem Briefe saugt.
Ich muß aufhören. Adieu, geliebtes Wesen.

———
*) Ludwig Gustav v. Thile, geb. 1781, † 1852, 1812—1817 vortragender
Adjutant beim König, 1818 Chef des Militärkabinetts, 1841 Geh. Staats-
und Kabinettsminister.

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