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[   Band 6 Brief 144:    Humboldt an Caroline    Aachen, 4. November 1818   ]


hier sind, versichern es mir. Stein hat mir zwar versichert, ich
hätte mehr Feinde als ich dächte, und nennt als einen der größe-
sten und bittersten den, der Dir so schöne Phrasen über Dein
Glänzen im Mittelpunkt schrieb *). Das achte ich nun eben so sehr
nicht, weil ich überzeugt bin, daß da doch Irrtum und Übertreibung
dabei sein kann, und auf jeden Fall kann ich es nicht vermeiden,
meinen angefangenen Gang fortzugehen und mich, sobald ich kann,
in Berlin einzufinden.
Ich habe Dir das alles, teures Herz, so ausführlich erzählt,
weil Du genau wissen mußt, wie es steht, und um auf das zu
kommen, was meine innigste Sehnsucht und meine Lieblingsidee ist,
den Plan, Dich in Italien abzuholen. Ich könnte mit diesem alle
Schwierigkeiten wie mit einem Zauberwort lösen, der Staatskanzler,
der offenbar schon froh ist, mich durch Frankfurt auf einige Zeit
loszuwerden, würde nun einen ganzen Winter, gerade die Zeit der
Staatsratssitzungen, frei. Allein eben deswegen habe ich mich sehr
gehütet, jetzt davon zu reden. Ich habe alles reiflich überlegt.
Ginge ich, wenn die Sache in Frankfurt beendigt ist, nicht nach
Berlin ohne einen wahren Grund der Notwendigkeit zu haben,
sondern machte gleich die Reise nach Rom, so schadete ich mir un-
wiederbringlich. Gerade jetzt ist die Aufmerksamkeit auf mich ge-
spannt, und am wenigsten jetzt darf ich sie täuschen, wenn ich Ein-
fluß haben und Gutes wirken will. Aber die Arbeiten des Staats-
rats haben immer eine Unterbrechung von einigen Monaten im
Sommer, und da könnte ich kommen, wenn Du so lange da wärst.
Ich glaube also, die würdigste Art für mich und Dich und auch die,
die Du am meisten billigst, da Du es mir ausdrücklich geschrieben
hast, mich nicht vom Staatsrat verdrängen zu lassen, ist die, daß ich
erst diesen Versuch mache und den Plan meiner öffentlichen Tätig-
keit, wie sie nun einmal jetzt sein kann, verfolge, allein meine Reise

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*) Gneisenau, siehe Brief Nr. 99 vom 9. Juli 1818, S. 241.

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