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[   Band 6 Brief 145:    Humboldt an Caroline    Aachen, 10. November 1818   ]


ist reine Eifersucht und Furcht. Wenn ich Furcht sage, so meine
ich nicht eigentlich die, daß man Gefahren auch nur persönlich für
sich fürchtet. Es ist nur die Besorgnis, daß ich durch Widerspruch,
durch das Ansehen, dessen ich genieße, die Anhänger, die ich na-
türlich finde, ihnen das Arbeiten in ihrer gewöhnlichen Manier er-
schwere. Man hat sich darüber eine Art System gebildet. Es ist,
sagt man, allgemein bekannt, daß ich nicht ins Ministerium, wie
es jetzt ist, eintreten will, es folgt daraus wie von selbst, daß ich
mit dem Ministerium unzufrieden bin. Dies ist geflissentlich von
Feinden und Freunden verbreitet worden. Wenn ich, sagt man
ferner, nun in den Staatsrat trete, ohne im Ministerium zu sein,
so werde ich, selbst, wenn ich es nicht wollte, ein Haupt einer
Opposition werden und die Sachen dadurch noch mehr zurück-
bringen statt sie zu befördern. In diesem Raisonnement liegt nur
eins, das wahr sein könnte, nämlich, daß es wirklich Menschen
geben mag in Berlin, die allerdings mich wohl gern gebrauchten,
um das jetzige Ministerium ganz eigentlich zu stürzen. Sonst ist
die Widerlegung leicht, nur, da man mit eingewurzeltem Vorurteil
zu kämpfen hat, fruchtlos. Wie ich bin, werde ich nie eine andere
Opposition machen als gegen Sachen, nicht gegen Personen, und
auch gegen Sachen nur da, wo es meine Überzeugung ist, und wo
ich es außerdem für schlechterdings notwendig halte, sonst nicht.
Haupt einer Partei wird immer nur, wer es will und sucht, und
daß ich mich sollte gegen meinen Willen als Werkzeug brauchen
lassen, ist eine wirkliche Abgeschmacktheit. Nichtsdestoweniger ist
dies Raisonnement gefährlich, wie Du gleich sehen wirst. Hier
haben es mir vorzüglich gemacht der Staatskanzler und Altenstein,
der erste mehr in der Absicht, mir die Notwendigkeit zu zeigen,
ins Ministerium zu gehen, weil der Staatskanzler immer alle Ver-
hältnisse wieder auflösbar und daher jedes Unmögliche für möglich
hält. Altenstein, der die augenblickliche Unmöglichkeit einsieht, mehr

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